nd-aktuell.de / 17.02.2018 / Berlin / Seite 14

Clublobby: Spätkäufe verbieten

Drastische Vorschläge im Kampf um die Nachtruhe für Anwohner von Szenekiezen

Nicolas Šustr

»Ich bin für die Einschränkung von Spätis, wenn es dafür eine gesetzliche Handhabe gibt«, sagte Marc Wohlrabe, Initiator der Clubcommission und nach wie vor Vorstandsmitglied des Lobbyverbands der Berliner Clubszene. »Ich finde es auch andenkenswert, den Hostelbetrieb durch die Verwaltung stärker zu regulieren«, so Wohlrabe weiter auf einer Podiumsdiskussion in Neukölln am Donnerstagabend. Thema: Clubkultur in Arbeiterbezirken - Fluch oder Segen? Mit diesem Vorschlag, der »nicht abgestimmt« sei mit dem restlichen Vorstand der Clubcommission, sollen Anwohner der hauptstädtischen Partykieze vor nächtlichem Lärm und Scherben besser geschützt werden.

»Die Probleme nachts auf der Straße haben sicherlich viel mit angetrunkenen Horden zu tun«, begründete Wohlrabe seine Forderung. Katalin Gennburg, Expertin für Stadtentwicklung und Clubpolitik der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, widersprach. Sie warnte vor einer Überregulierung. »Am Ende ist die Straße dann tot«, so die Politikerin. Außerdem sei das auch eine soziale Frage. »Spätis sind einfach günstiger. Wenn man die zumacht, gibt es Leute, die sich die Alternativen - Bars und Clubs - einfach nicht leisten können.«

»Man wird diese Dinge nicht einfach mit einer Verordnung lösen können«, warnte Gennburg vor zu viel Euphorie für Verwaltungslösungen. Das zeige das Beispiel Barcelona, wo der Hotelentwicklungsplan neue Ansiedlungen von Beherbergungsbetrieben unterband. »Dann sind die Menschen in den Außenbezirken auf die Barrikaden gegangen, als dort neue Hotels entstehen sollten.«

Die Stadt lebe davon, dass ganz normale Arbeiterinnen und Arbeiter, die um 4 Uhr aufstehen, um ab 6 Uhr die Büros am Potsdamer Platz zu putzen, auch in der Innenstadt leben können, so Gennburg. »Denen kann man schwer sagen, dass sie sich einfach mal locker machen sollen, wenn nachts die Party vor ihrer Haustür tobt.«

»Die Konflikte sind eigentlich nicht lösbar. Man kriegt sie bestenfalls moderiert, besänftigt und kleingehalten«, so die Einschätzung von Dietrich Henckel, Professor für Stadt- und Regionalökonomie. Die Erfahrung in Städten wie Paris, Amsterdam und München sei immer dieselbe: Man müsse miteinander reden, ohne das gehe es gar nicht. »Dann muss es zu Vereinbarungen kommen und diese müssen durchgesetzt werden«, so Henckel weiter. »Mit der Durchsetzung tut sich Berlin extrem schwer.« Ab Mai sollen in der Friedrichshainer Simon-Dach-Straße die Schankvorgärten ab 23 Uhr schließen müssen. Die Umsetzung wird spannend.