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Nationaler Aktionsplan soll Gesundheitskompetenz der Bundesbürger stärken

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Deutsche fühlen sich in Gesundheitsfragen schlecht informiert. Die Bundesregierung möchte mit einem Aktionsplan für Kompetenz sorgen. Er könnte allerdings an den Ländern scheitern.

Von Ulrike Henning

Gegen das in der Bundesrepublik weit verbreitete Unwissen in Gesundheitsfragen soll jetzt ein »Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz« wirken. Dabei handelt es sich um einen Leitfaden mit 15 konkreten Empfehlungen, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Entwickelt wurde das Papier von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld, der Hertie School of Governance und einem Präventionsexperten des AOK-Bundesverbandes. Die Schirmherrschaft liegt beim amtierenden Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), dem der Plan nun überreicht wurde. Die Förderung kommt von der Robert-Bosch-Stiftung und dem AOK-Bundesverband.

Etwa die Hälfte der Bundesbürger weiß deutlich zu wenig über Krankheit und Gesundheit, ganz zu schweigen darüber, wie das Gesundheitssystem in Deutschland funktioniert. »Problematisch« bis »inadäquat« ist die Gesundheitskompetenz bei mehr als 50 Prozent - quer durch alle Bildungsschichten, wie sich aus einer ebenfalls am Montag vorgestellten repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts »YouGov« ergibt. Selbst unter Menschen mit hohem Sozialstatus wissen 48,8 Prozent nicht ausreichend Bescheid. Besonders schlecht ist die Gesundheitsbildung ausgerechnet bei besonders verletzlichen Gruppen: Bei jenen mit niedrigem Sozialstatus, bei chronisch Kranken und bei Versicherten mit Migrationshintergrund beträgt die Quote jeweils rund 70 Prozent. Exzellentes Wissen ist bei knapp über zehn Prozent der Eingewanderten und der 15- bis 29-Jährigen zu finden. In allen anderen erwähnten Gruppen ist diese Spitzengruppe kleiner, bei Menschen mit hohem Bildungsgrad und Sozialstatus liegt die Quote bei knapp unter 10 Prozent.

Wissenslücken finden sich vor allem im Alltag, deshalb möchten die Initiatoren in die sogenannten Lebenswelten. In Kitas, Schulen und Unternehmen soll die Gesundheitskompetenz gefördert werden, also dort, wo die Krankenkassen bereits mit Präventionsangeboten - aber meist nur in Einzelprojekten - unterwegs sind, wo aber auch die Bildungspolitik in der Pflicht wäre. Gröhe, der als künftiger Bildungsminister im Gespräch ist, hätte sich dann auch für das langfristig angestrebte neue Schulfach »Gesundheit« zu engagieren. Allerdings könnte er dieses Projekt nur mit den Bundesländern verwirklichen, da diese für die Bildungspolitik zuständig sind.

Ähnliche rechtliche Klippen benennt auch AOK-Vorstand Martin Litsch, der anlässlich des von ihm mit initiierten »Zuckerreduktionsgipfels« im vergangenen Sommer auf viele Vorbehalte in Bundesministerien stieß. Insofern ist nicht nur Litsch skeptisch, was die Aufnahme der Lebensmittelampel in den Koalitionsvertrag wie auch in den Aktionsplan betrifft. Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) zeigte sich begeistert darüber, dass die Ampel nun wieder auf der Tagesordnung sei. Auch das Feld Konsum und Lebensmittel gehöre zu den Lebenswelten, denn hier würden vermutlich die »dicksten Bretter zu bohren« sein.

Weitere Empfehlungen wenden sich an die Akteure im Gesundheitssystem selbst. Prüfer-Storcks will die sektorübergreifende Versorgung zur Regel machen, weil das für die Patienten einfacher sei. Deren Bedarf sei der Maßstab, nicht die Logik des Systems selbst. Schon die Haus- und Fachärzte werden von 40 beziehungsweise 53 Prozent der Patienten nicht immer verstanden, ebenso wenig die Informationen der Krankenkassen. Ein dritter Block soll die Fähigkeiten chronisch Kranker stärken, mit dem eigenen Leiden umzugehen und etwa auch ihre Familien unterstützen. Verbessert werden soll die Gesundheitsinformation auch im digitalen Bereich - hier ist, ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert, ein nationales Gesundheitsportal mit leicht verständlichen Beiträgen geplant. Denn im Internet informieren sich zwar täglich 40 Millionen Deutsche über Gesundheitsfragen, aber nur jeder Dritte sieht sich dazu in der Lage, zwischen seriösen und unseriösen Auskünften zu unterscheiden.

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Der Aktionsplan im Internet: www.nap-gesundheitskompetenz.de

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