Schießstandaffäre: Innenverwaltung unter Beschuss

Ausschuss im Abgeordnetenhaus beschäftigte sich erneut mit Gesundheitsgefährdungen für Polizisten

  • Felix von Rautenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kohlenmonoxidgehalt auf dem Polizeischießstand an der Bernauer Straße überstieg den zulässigen Richtwert um das Dreißigfache. Der Bleigehalt in der Luft ist bis zu achtmal höher als zulässig. Die Filterstufen entsprechen nicht den Sicherheitsstandards. All das stellte ein Gutachten fest, das bereits im Oktober 2010 von der Berliner Immobilienmanagement GmbH erstellt wurde und das dem Polizeipräsidium vorgelegen haben soll.

Bisher sollen sechs Menschen an den Spätfolgen der hohen Schadstoffbelastung gestorben sein. Nun will der Senat weitere gesundheitlich Geschädigte mit der Zahlung eines vier- bis fünfstelligen Betrages entschädigen, wie am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses bekannt wurde.

»Das Thema hat die Innenverwaltung aus der vorherigen Legislaturperiode geerbt. Deshalb haben wir den Ausgleichsfonds eingerichtet«, sagte Torsten Akmann. Dem SPD-Innenstaatssekretär zufolge werde eine unabhängige, dreiköpfige Bewertungskommission die Forderungen und ärztlichen Belege der betroffenen Polizisten prüfen. Rund 90 Dienstunfallanzeigen lagen bisher bei der Polizei vor. Der Entschädigungsfonds wurde bereits mit dem Haushalt im vergangenen Jahr beschlossen und soll zunächst mehrere Millionen Euro jährlich enthalten. Die Frist zum Einreichen der Unfallanzeigen läuft noch bis Mitte März. Danach soll die Kommission mit ihrer Arbeit beginnen. Die Entschädigung soll dann über die polizeilichen Geschäftsstellen ausgezahlt werden. Der Innenexperte der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, begrüßte die Regelung: »Die Kommission soll nicht darüber urteilen, was falsch gelaufen ist, sondern Entschädigungsleistungen erstatten.«

Doch für die Opposition ist in der Schießstandaffäre inzwischen zu viel falsch gelaufen. Sie nahm die Innenverwaltung am Montag einmal mehr unter Beschuss. Scharf kritisiert wurde der Senat etwa für den Karrieresprung der früheren Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers, die ab März neue Generalstaatsanwältin werden soll. Sie soll noch als Polizei-Vizepräsidentin das Problem mit den Schießständen verschleppt haben, hieß es. Auf Anfrage der FDP sollte Koppers eigentlich am Montag vor dem Innenausschuss zu den Schießständen erklären. »Sie muss Kenntnisse über das Gutachten gehabt haben. Ich vermute, dass sie nicht nur Ahnung hatte, sondern dass alle Berichte an sie gingen«, erklärte der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe zu Beginn der Diskussion. In einem Besprechungsprotokoll »von Frau VP (Vizepräsidentin) mit den Vertretern des GPR (Gesamtpersonalrat)« vom Dezember 2012 heißt es wörtlich: »Die Tolerierung der Außerachtlassung des Arbeitsschutzes und heutiger Sicherheitsstandards lassen einen mittelfristigen Betrieb der Anlagen sicherlich zu, eine langfristige Option ist dieses allerdings nicht.«

Doch weder Polizeipräsident Klaus Kandt noch Koppers äußerten sich am Montag zu den Vorwürfen: Beide waren nicht vor dem Ausschuss erschienen. Da Ermittlungen in der Sache gegen sie laufen, nutzten beide das Recht, die Aussage zu verweigern. »Ich habe Herrn Kant und Frau Koppers deshalb gebeten, hier heute nicht zu erscheinen«, sagte Akmann. Gegen Koppers läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt. Ein Disziplinarverfahren gibt es bisher allerdings nicht.

Dass Koppers trotz der Ermittlungen ohne Disziplinarverfahren zur Generalstaatsanwältin ernannt werden soll, sieht die CDU-Fraktion als »Schlag in das Gesicht eines jeden Beamten«. Sie erwog deshalb die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Schießständen.

Die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich ebenfalls betroffen: »Eine vier- bis fünfstellige Entschädigung ist sicher ein Anfang, aber jeder muss für sich selbst entscheiden, ob man das unter Fürsorgepflicht eines Dienstherren versteht. Prinzipiell gilt für jeden in unserem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung. Bei vielen, anscheinend aber nicht allen, die bei der Berliner Polizei tätig sind, wird das häufig vergessen.«

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