Star der CDU

Annegret Kramp-Karrenbauer eroberte den Parteitag im Sturm

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

In der CDU zählen Köpfe halt besonders. Die kritischen Töne der letzten Wochen über die Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel waren zu einem Teil bereits am Sonntag verstummt, nachdem diese ihr Personaltableau für die CDU-Ministerriege in einer kommenden Großen Koalition sowie ihre Kandidatin einer neuen CDU-Generalsekretärin vorgestellt hatte, nämlich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Jüngere Politiker, ein höherer Anteil von Frauen im Partei- und Regierungspersonal - das reichte schon, um viele Kritiker versöhnlich zu stimmen. Verbliebenen Unzufriedenen bot der Parteitag am Montag die Bühne, um ihrem Ärger Luft zu machen. Eine unerwartete Zahl von Delegierten drängte zum Rednerpult, um sich zu äußern, und viele davon taten es ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die Ehe für alle, eine vermeintlich zu große Freizügigkeit bei den Ministerposten für die SPD oder der Koalitionsvertrag selbst - immer wieder äußerten Delegierte Unmut oder Sorge, je nach Temperament.

Doch die CDU bleibt verlässlich; an der klaren Zustimmung zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD änderte der vielfache Widerspruch am Ende nichts. 27 Nein-Stimmen kamen gerade mal zusammen, obwohl mit Werner Bahlsen, Präsident des CDU-Wirtschaftsrat, gleich zu Beginn der Debatte ein gewichtiger Prominenter seine Ablehnung angekündigt hatte.

Es fanden sich freilich auch prominente Fürsprecher wie Julia Klöckner, die rheinland-pfälzische CDU-Chefin, die den Kritikern widersprach, es handele sich beim Koalitionsvertrag um eine Art sozialdemokratisches Programm. Der Vertreter des CDU-Arbeitnehmerflügels machte kein Hehl aus seiner Verärgerung über die Verteidigung befristeter Arbeitsverhältnisse durch die Arbeitgeberseite, die nun von der Großen Koalition wenigstens eingeschränkt werden sollen. Und auch der scheidende Bundesinnenminister Thomas de Maizière setzte sich für den Vertrag ein, der wie auch Hermann Gröhe, bisher Gesundheitsminister, besonders viel Beifall erhielt, als Angela Merkel sich für seine Arbeit bedankte. »Wir wollen den Islam zurückdrängen«, und radikalisierte Moscheen zu schließen, das stehe zum ersten Mal auch in einem Koalitionsvertrag, erklärte er unter dem Beifall der Delegierten. An die Parteikollegen, die bedauern, dass er nicht länger Mitglied der Bundesregierung ist, richtete de Maizière den Trost, er gehe als stolzer Bundesminister und bleibe ein stolzer und fröhlicher Christdemokrat.

Zuvor hatte Angela Merkel selbst den Vertrag verteidigt. Sie beschwor das Bild der Geschlossenheit, das CDU und CSU geboten hätten und zählte auf, was die Union an Positionen im Vertrag untergebracht habe. Alles, was »uns im Wahlkampf wichtig« war, finde sich im ausgehandelten Vertrag wieder. Sicherheit, Bildung, dynamische Wirtschaft, Pflege und Gesundheit, ein starkes Europa im deutschen Interesse. Zu Flüchtlingen und Migration hob Merkel hervor, dass das von CDU und CSU in die Verhandlungen eingebrachte »Regelwerk für Migration«, in dem die Union nebst faktischer Obergrenze für Flüchtlinge auch ein enges Korsett für den Familiennachzug zu Bürgerkriegsflüchtlingen festschrieb, im Koalitionsvertrag durchgesetzt sei. In Kauf nehmend, dass sie damit die SPD desavouierte, die das Ergebnis immer noch als einen Erfolg darstellt. Auch dass der SPD-Wunsch nach einer Bürgerversicherung abgewehrt wurde, »nichts anderes als eine Einheitskasse«, zählte Merkel als Erfolg der Union auf.

Mit den über 50 Rednern, die sich an der Aussprache beteiligten, schien der Parteitag schon alles in den Schatten gestellt zu haben, was die CDU an lebendiger Debatte auf die Beine zu bringen vermag. Doch dann kam Annegret Kramp-Karrenbauer. Als Ministerpräsidentin eines Bundeslandes, die sich als Generalsekretärin in den Dienst der Partei stellen will, hatte sie bereits im Vorfeld auch Merkel-Kritiker überzeugt. Nun legte sie noch eine fulminante Rede drauf. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, die die Probleme lösen sollen, das komme für sie nicht in Frage. »Ich kann und ich will und ich werde. Und deshalb stelle ich mich in den Dienst der Partei.« Die CDU sei eine interessante Partei, und »stille Helden« an der Basis seien es, »die mich tragen, deshalb ist es Zeit, etwas zurückzugeben«. Wie zuvor Angela Merkel beschwor sie mit Blick auf die anstehende Programmdebatte das christliche Menschenbild, das wichtiger sei als die Frage, ob das Konservative oder das Liberale in der CDU zu kurz komme. Und dann kam Kramp-Karrenbauers Bekenntnis zur deutschen Eishockeymannschaft bei den Olympischen Spielen. Die Mannschaft sei der Star gewesen, das habe sie so weit gebracht. Und nun, müsse die CDU genauso handeln. »Der Star ist die Mannschaft. Der Star ist die CDU.« Die Delegierten quittierten die Rede mit einem außergewöhnlichen Wahlergebnis: 98,87 Prozent für die neue Generalsekretärin.

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