Weniger Flieger - weniger Gäste

Mit 31,9 Millionen Übernachtungen ist der Berlin-Tourismus 2017 schwach gewachsen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Berlin-Tourismus trotzt der Air-Berlin-Pleite, richtet den Blick nach vorn und erschließt neue Märkte. So in etwa könnte man die Botschaft zusammenfassen, die die Macher an der Spitze von visitBerlin, dem offiziellen Reiseportal der Hauptstadt, am Montag verbreiteten. Das klingt etwas trotzig angesichts der Wachstumsdelle, die visitBerlin-Geschäftsführer Burkhard Kieker bei der Präsentation der Tourismusbilanz verkündete. Berlin hatte 2017 die schwächsten Zuwächse der letzten 15 Jahre.

Dabei können sich die Zahlen dennoch sehen lassen. Denn trotz widriger Umstände nahmen die offiziell registrierten Übernachtungen gegenüber 2016 leicht zu. Offiziell statistisch erfasst wurden immerhin 31,15 Millionen Übernachtungen in Hotels und Pensionen, 2016 waren es 0,3 Prozent weniger. Die Besucherzahl stieg auf 12,96 Millionen, im Jahr davor waren 12,7 Millionen Gäste gezählt worden. Zurückgegangen ist die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste. Und da die Hotelkapazitäten gewachsen sind - im November öffnete mit dem Hotel One am Alex eine weitere 700-Betten-Herberge - war die Auslastung schlechter.

Berlin-Tourismus in Zahlen
  • Die Zahl der Gäste in den Hotels und Pensionen stieg 2017 gegenüber dem Vorjahr um 1,8 Prozent auf 12,96 Millionen.
  • Die Übernachtungen nahmen um 0,3 Prozent leicht auf 31,15 Millionen zu.
  • Mit 55,1 Prozent haben deutsche Gäste weiterhin den größten Anteil an den Gesamtübernachtungen. Ihre Zahl wuchs um 1,6 Prozent.
  • 5,1 Millionen internationale Besucher (plus 1,2 Prozent) zählte Berlin, sie buchten weniger Übernachtungen: 13,98 Millionen (minus 1,4 Prozent).
  • Im internationalen Geschäft dominierten Briten (1,67 Millionen), US-Bürger (1,2 Millionen) und Spanier (869 000), wobei Europa insgesamt schwächelte. Besonders hohe Besucherzuwächse gab es aus Russland (16,6 Prozent), Brasilien (10,2 Prozent) und den USA (7,5 Prozent).
  • Ein Viertel aller Hotelübernachtungen, 7,9 Millionen (plus 2,6 Prozent), wurde für Tagungs-, Messe- und Kongressbesucher gebucht. 2017 kamen 11,7 Millionen Teilnehmer zu 140 200 Veranstaltungen in die Stadt. tm

»Im vergangenen Jahr sind rund eine Viertelmillion mehr Gäste als im Vorjahr nach Berlin gekommen. Das spricht für die Attraktivität der Stadt«, sagte der visitBerlin-Chef. »Die Insolvenz von Air Berlin und die unbefriedigende Flughafensituation wirken sich dämpfend aus. Städtetourismus ist nie ein Selbstläufer. Das gilt auch für Berlin. Wir brauchen jetzt die Anstrengung aller Beteiligten.«

In der Tat verzeichnete die Branche infolge der Pleite der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft im November und Dezember 2017 deutliche Einbußen. Kieker erinnerte daran, dass damit 28 Prozent der Flüge am Standort Berlin auf einen Schlag wegbrachen und sprach von einem »Schlag ins Kontor«. Die Folgen seien auch weiterhin spürbar, auch wenn der Umzug des Billigfliegers Easy Jet nach Tegel helfe. Die Airline sei mit zwei Dutzend Maschinen gekommen und werde bis zum Sommer 37 Flugzeuge am Standort Tegel haben. Man rechne dennoch erst im Spätsommer damit, wieder das Niveau vor Ausbruch der Air-Berlin-Krise erreichen zu können. In den Monaten bis dahin werde man bei den Besucherzahlen zwischen sechs und zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau bleiben. Mit Nachdruck verwies Kieker darauf, dass nicht nur die Tourismuswirtschaft die Fertigstellung des Hauptstadtflughafens BER dringend erwarte.

Der Tourismus-Manager verwies auf Verfahrensschwächen bei der statistischen Erfassung der Berlin-Besucher. Das Statistikamt registriere grob gesagt nur Hotel- und Pensionsgäste, lasse aber, so Kieker, die immer zahlreicher werdenden Nutzer von Ferienwohnungen außer Acht. Der Anteil der sogenannten Sharing Economy wachse aber, allein über das Portal AirBnB kamen 700 000 Menschen 2017 nach Berlin, buchten 2,79 Millionen Übernachtungen, 16,7 Prozent mehr als 2016. Diesen Trend müsse man in Rechnung stellen, so Kieker.

Immer stärker habe sich Berlin im vergangenen Jahr zur international gefragten und im Medizinbereich sogar führenden Kongressmetropole entwickelt. Das Tagungs- und Kongressgeschäft hat erstmals mehr als eine Milliarde Euro Nettowertschöpfung erwirtschaftet. Die Stadt brauche ein weiteres großes Kongresszentrum, um der Nachfrage gerecht zu werden und mehr Tagungsgäste anzuziehen. Ein richtiger Schritt, um Zeit zu gewinnen, sei die Freigabe der Mittel für die Sanierung des ICC.

Für die Zukunft setzt Berlin auf moderates Wachstum bei den Übernachtungen - pro Jahr um 1,5 bis drei Prozent. »Und wir wollen, dass Menschen kommen, die etwas mehr auf der Tasche haben«, sagte Kieker. Die wolle man mit Qualität und neuen, dezentralen Angeboten erreichen.

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