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Widerstand gegen den Rechtsruck

Faschisten machen vor der italienischen Parlamentswahl mobil - die linke Zivilgesellschaft stellt sich dagegen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Thema Faschismus steht erst seit wenigen Wochen auf der Agenda der großen Parteien und auch die wichtigsten Medien sprechen gerade mal seit Anfang Februar darüber. In der Gesellschaft ist es allerdings seit Monaten und Jahren präsent. Viele antifaschistische Gruppen warnen jedoch auch gerade jetzt eindringlich vor der rechtsextremen Gefahr, die nun wieder die italienische Demokratie bedroht.

Anfang Februar schoss Luca Traini, ein 28-jähriger mit engen Kontakten zu faschistischen und ausländerfeindlichen Kreisen, zwei Stunden lang in der mittelitalienischen Stadt Macerata gezielt auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Sechs Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Nach seiner »Bestrafungsaktion«, wie er es selbst nannte, hüllte sich Traini in eine italienische Fahne, hob den Arm zum faschistischen Gruß und ließ sich am Gefallenendenkmal der Stadt verhaften. Später fand man bei dem Waffennarr neben verschiedenem Propagandamaterial auch eine Ausgabe von Hitlers »Mein Kampf«. Es wurde bekannt, dass er sich seit Jahren in rechtsextremen Kreisen bewegte und sogar für die rechtspopulistische und islamfeindliche Lega Nord kandidiert hatte.

Die Lega Nord ist derzeit in einem rechten Bündnis mit anderen Parteien zusammengeschlossen. Jüngst erklärte Silvio Berlusconi, der diese Koalition anführt, er könne sich den Chef der Partei Matteo Salvini, sehr gut als Innenminister vorstellen. Glaubt man den aktuellen Umfragen für die Parlamentswahl am 4. März, dann liegen diese Vorstellungen im Bereich des Möglichen.

Was nach den Schüssen von Macerata geschah, zeigt die Schwierigkeiten, - um es vorsichtig auszudrücken - die die großen Parteien in Italien aktuell im Umgang mit dem Phänomen des Neo-Faschismus haben. Natürlich verurteilten alle im Parlament vertretenen Parteien die Gewalttat an sich, aber keine stufte das Geschehen als Terrorismus ein und die Rechtsaußen-Gruppen verharmlosten die Tat als Aktion eines geistig Verwirrten. Soweit bekannt gab es keine Razzien bei den verschiedenen rechtsextremen Bewegungen, denen Luca Traini nahe stand.

Ganz anders reagierten die Zivilbevölkerung und vor allem die vielen antifaschistischen Gruppen, die es überall in Italien gibt. Innerhalb von wenigen Stunden riefen sie mit dem linken Wahlbündnis »Potere al Popolo« (Die Macht dem Volke), dem auch »Rifondazione Comunista« (Kommunistische Neugründung) angehört, eine große antifaschistische Demo in Macerata aus. Die Reaktion: Die großen Medien und die etablierten Parteien warnten eindringlich vor möglichen Ausschreitungen und der Bürgermeister von Macerata ließ sogar die Schulen schließen.

Der Partisanenverband ANPI, der den Antifaschismus eigentlich auf seine Fahnen geschrieben hat, sagte seine Teilnahme erst zu, zog sie dann aber wieder plötzlich zurück. Viele Mitglieder verstanden es nicht - sie gingen letztlich trotzdem auf die Straße. Tatsächlich kamen in Macerata über 30 000 friedliche Menschen zusammen, um gegen die alten und neuen faschistischen Tendenzen zu demonstrieren.

Demonstrationen gegen die extreme Rechte mussten in den vergangenen Monaten oft durchgeführt werden. In Bologna versuchten Mitte Februar etwa 1500 Antifaschisten eine Wahlveranstaltung von Forza Nuova zu verhindern. Dies ist eine rechtsextreme, homophobe und ausländerfeindliche Partei, die seit mehreren Jahrzehnten in Italien ihr Unwesen treibt. Gegründet wurde sie von Roberto Fiori, der 1985 wegen »subversiver Vereinigung und bewaffneter Bande« verurteilt und wohl von dem englischen Geheimdienst MI6 gesponsert und finanziert wurde. Die Europäische Kommission hatte dies 1991 in einer Untersuchung bestätigt.

Mitten in der Universitätsstadt kam es damals zu mehreren Zusammenstößen zwischen den Antifaschisten und den Ordnungskräften, bei denen sechs Demonstranten und ein Polizist verletzt wurden. In diesem Fall gab es Widerstand auch von ANPI und der Gewerkschaft CGIL, einzelne Vertreter der linken Partei »Liberi e Uguali« (Frei und gleich) und der Demokratischen Partei unterstützten sie. »Es stimmt nicht, dass jeder reden darf«, erklärten einige Demonstranten. »Und erst recht nicht diejenigen, die das Attentat von Macerata für sich in Anspruch genommen haben«.

Solche Ereignisse gab es zu Dutzenden. So demonstrierten Anfang des Monats auch in Genua etwa 6000 junge Frauen und Männer gegen eine Veranstaltung der Partei »Casa Pound«, die sich selbst als »Faschisten des Dritten Jahrtausends« bezeichnen. Zwei Wochen zuvor hatten Anhänger der Partei Antifaschisten angegriffen und einen Jungen niedergestochen. Auch in diesem Fall ignorierten die etablierten Parteien das Ereignis und die Presse berichtete kaum über die Demo. Es war dabei die größte, die die Hafenstadt, in der 2001 Carlo Giuliani während einer Demo gegen den G8-Gipfel erschossen wurde, in den letzten Jahren erlebt hatte.

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