Rot-Rot-Grün will neue Innenpolitik debattieren

Nach Ablösung der Polizeiführung berät Koalition am kommenden Wochenende weitere Schwerpunktthemen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch am Dienstag sorgte der Führungswechsel an der Polizeispitze für Diskussionsstoff. Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte erneut seine Entscheidung vom Vortag, Polizeipräsident Klaus Kandt mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt zu haben. »Wir brauchen eine Polizeiführung, die glaubwürdig einen Neuanfang verkörpert«, sagte Geisel im »Inforadio« des rbb. Zum wiederholten Mal verwies der Innensenator auch darauf, dass das Parteibuch von Kandt, der in der CDU ist, keine Rolle für seine Entscheidung gespielt habe. Auch die für Mitte April angekündigte neue Polizeispitze werde keine Parteibuchentscheidung sein, kündigte Geisel an.

Kandt hatte die Berliner Polizei mit ihren 24.000 Mitarbeitern seit 2012 geführt, zuletzt wurde immer wieder Kritik laut, beispielsweise im Zusammenhang mit den Fehlern im Fall des Terroristen Anis Amri oder den maroden Schießständen der Polizei. In dieser Sache geht es darum, dass bei Schießtrainings Polizisten durch giftige Dämpfe verletzt wurden.

Wie sich Geisel den Neuanfang bei der Polizei und in der Innenpolitik insgesamt nach der Ablösung Kandts vorstellt, dürfte auch ein großes Thema bei der Linksfraktionsklausur am kommenden Wochenende im brandenburgischen Rheinsberg werden. Die Abgeordnetenhausfraktion der Sozialisten hat dazu neben dem Innensenator auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) geladen. Beide Senatoren haben ihr Kommen für Samstag zugesagt, dann soll es in zwei inhaltlichen Blöcken um die Themen »Sicherheit und Bürger*innenrechte gemeinsam denken« und »Videoüberwachung und der Umgang mit dem Volksbegehren« gehen.

»Wir werden über unterschiedlichen Sicherheitsfragen diskutieren, deshalb ist es wichtig, dass der Innensenator bei diesen Themen für einen Austausch zur Verfügung steht«, sagt Hakan Taş dem »nd«. Der Innenexperte der Linksfraktion erwartet auch Informationen, welche Strukturveränderungen und Neuausrichtungen bei der Polizei mit der neuen Führung einhergehen.

Dass Innenpolitik eine zentrale Rolle auf einer Linksfraktionsklausur spielt, ist ein Novum. In den vergangenen Jahren spielte dieser Bereich bei den LINKEN nach den Themen Soziales, Arbeit und Wohnen eher eine untergeordnete Rolle. Angesichts der Angstdebatten in der Bevölkerung und der Bedrohung etwa durch islamistische Terroristen muss aber auch die LINKE Antworten auf die Bedenken aus der Bevölkerung entwickeln. Das gilt natürlich auch für Rot-Rot-Grün allgemein.

Der Senat übt sich in diesem Bereich seit längerem in einem Spagat, der beispielsweise in der Frage der Ausweitung der Videoüberwachung deutlich wird. Während LINKE und Grüne diese ablehnen, sehen es in der SPD viele wie Innensenator Geisel: Der hält den Kompromiss von Rot-Rot-Grün, Kameras nur mobil und temporär aufzustellen, nämlich für unzureichend. Es dürfte interessant werden, wie die Koalitionäre diese Auseinandersetzung führen werden. In vielen anderen innenpolitischen Themen zeichnet sich dagegen seit längerem ein Politikwechsel durch das Mitte-links-Bündnis ab. So wurde die Ausstattung bei der Polizei stark verbessert und der Beförderungsstau aufgehoben. Außerdem werden deutlich mehr Polizisten eingestellt, sodass es am Ende der Legislatur 18.000 Vollzugsbeamte geben soll.

Mit der Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten und der Ausarbeitung eines liberaleren Versammlungsgesetzes will Rot-Rot-Grün zudem eigene Schwerpunkte setzen. Hierzu zählt sicher auch der Ausbau der städtebaulichen Kriminalprävention und anderer Präventionsansätze, damit der öffentliche Raum gar nicht erst zur Angstzone wird. Dass die Strategie, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen, erste Früchte trägt, dürfte die neue Polizeistatistik zeigen. Wie im Vorfeld bekannt wurde, sind in vielen Kriminalitätsbereichen Rückgänge in der Statistik zu verzeichnen.

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