nd-aktuell.de / 02.03.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 20

»Ich bin kein Aphrodisiakum«

Die illegale Jagd auf die Totoaba, das »Kokain des Meeres«, bedroht auch die Existenz der kalifornischen Schweinswale

Carmen Peña und Ivonne Marschall, San Felipe

Illegale Fischer und Schmuggler nennen sie »Kokain des Meeres«: Die im nördlichen Golf von Kalifornien heimische Totoaba ist vom Aussterben bedroht, so sehr setzt der Fischart der illegale Fang zu. Die Totoaba wird wegen ihrer Schwimmblase gejagt – in China ist sie als angebliches Aphrodisiakum und Heilmittel heiß begehrt.

Der Kampf gegen die Totoaba-Fischer ist für den mexikanischen Biologen Lorenzo Rojas Bracho wie der Kampf gegen die Mafia. »Totoaba ist keine Droge, aber bei diesen Preisen könnte sie eine sein.« Die Fischer bekommen bis zu 4000 Dollar für eine ein Kilogramm schwere Schwimmblase, die Verkaufspreise in China sind ein vielfaches höher.
Bei diesen Summen lohnt es sich für die Fischer, das Risiko einzugehen, erwischt zu werden. Der Fisch mit dem wissenschaftlichen Namen Totoaba macdonaldi gehört zur Familie der Umberfische oder Trommler und ähnelt von der Form her einem Seebarsch. Er wird bis zu zwei Meter lang. Obwohl der Fang seit 1975 untersagt ist und Marine und Umweltbehörden die Region kontrollieren, werden Nacht für Nacht Netze ausgelegt.

»Wir finden leider jeden Tag neue Netze«, sagt Claudia Olimón, die für eine Initiative zur Entfernung von Geisternetzen arbeitet. Die Projektmitarbeiter suchen nach solchen Netzen, die von Fischern zurückgelassen wurden. Größere Schiffe entfernen dann die Netze.
Allein im Jahr 2017 wurden so knapp 50 Tonnen Netze aus dem Verkehr gezogen. Neben Fischen und Meeresschildkröten verfangen sich darin auch vom Aussterben bedrohte kalifornische Schweinswale, von denen es nur noch etwa 30 Tiere gibt. Mit einem Ende der illegalen Totoaba-Fischerei könnte auch der Schweinswal noch eine kleine Überlebenschance haben.

Für die illegalen Fischer zählt aber nur der große Fang, denn mit einer Totoaba lässt sich in einer Nacht mehr Geld machen als sonst in einem Monat. Dies gilt besonders für eine Küstenstadt wie San Felipe, wo die Mehrzahl der Bewohner mehr schlecht als recht von der Fischerei lebt. Einige Behördenvertreter, darunter auch Umweltminister Rafael Pacchiano, bringen auch hochrangige Fischereivertreter mit dem Totoaba-Schmuggel in Verbindung. Besonders dramatisch ist der Kampf auf dem Meer in der Hauptfangzeit von Januar bis April. Die Wilderer sind bewaffnet, greifen Überwachungsdrohnen an und stellen sich gegen Schiffe der Marine und der Umweltorganisation Sea Shepherd, die sich an den Kontrollfahrten und der Suche nach den Geisternetzen beteiligt.
Das Umweltministerium kündigte an, die Überwachung auszuweiten. Außerdem will Mexiko in drei Fischfarmen investieren, um so den Schmugglern das Wasser abzugraben. In den Fischfarmen sollen Hunderttausende Totoabas aufgezogen werden, so das Ministerium.
Ein kommerzielles Unternehmen, Earth Ocean Farm, hat bereits mehrmals erfolgreich Jungfische im Golf ausgesetzt. Unternehmenschef Pablo Konietzko betont, dass Totoaba gut für Aquakulturen geeignet sind, da die Fische rasch wachsen und auch von hoher Qualität als Speisefisch sind. Aquakulturen könnten das Aussterben der Art verhindern, sagte er etwa auf einer Fachkonferenz in Mexiko im vergangenen Jahr.

Ein Ende der illegalen Fischerei auf die Totoaba könnte die letzte Chance für den kalifornischen Schweinswal sein. Im vergangenen Jahr wurde US-Schauspielstar und Umweltaktivist Leonardo DiCaprio persönlich bei Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto vorstellig, um für einen besseren Schutz der sogenannten Vaquita zu werben.
Vor Kurzem machten Umweltschützer in Mexiko-Stadt mit einem Trauermarsch auf das Schicksal der kleinen Wale aufmerksam. »Der illegale Handel mit den Schwimmblasen der Totoaba ist allein für die sinkenden Populationszahlen bei der Vaquita und der Totoaba verantwortlich«, sagte der Direktor der Umweltschutzorganisation WWF in Mexiko, Jorge Rickards. »Es gibt aber noch Hoffnung für die Vaquita – wenn wir jetzt handeln.« dpa/nd