• Berlin
  • Kreuzberger Ratiborstraße

Eng wird’s fürs Kleingewerbe

In der Kreuzberger Ratiborstraße fürchten Handwerksbetriebe, verdrängt zu werden

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Björn Boes hat Maschinenöl im Gesicht, an der Jacke, an den Händen. Auch in seiner Werkstatt trägt er eine Wollmütze. Bei Außentemperaturen von minus acht Grad dringt die Kälte durch die Wände der ehemaligen Holzlagerschuppen durch. Vor zwei Jahren hat Boes gemeinsam mit einer Gruppe weiterer kleiner Handwerksbetriebe das Gelände eines ehemaligen Holzhandels in der Ratiborstraße 14 in Kreuzberg übernommen. Boes leitet hier eine Schlosserei, nebenan sitzt eine Tischlerei, außerdem sind Künstler auf dem Gelände, ein Architekt, ein Journalist, ein Bootsbauer. Vor zwei Jahren hat der »Werkhof« das Gelände von der BImA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, gepachtet. Der Vertrag läuft noch bis 2020. Trotzdem haben die Gewerbetreibenden nun Sorge, verdrängt zu werden.

Grund sind Meldungen, dass auf dem Areal am Ufer des Landwehrkanals, zu dem neben dem Werkhof eine Kita, der linke Biergarten Jockel, eine Wagenburg, ein Autohändler und eine Autowerkstatt gehören, eine Flüchtlingsunterkunft entstehen soll. »Grundsätzlich begrüßen wir das«, sagt Moritz Metz, Journalist und Bastler. Die Kleingewerbetreibenden wundern sich nur, dass niemand mit ihnen darüber gesprochen hat. »Wir wüssten gerne, wie viel da gebaut werden soll.«

Bei einem Rundgang über das Gelände wird schnell deutlich: Ungenutzte Flächen gibt es hier nicht. Die einzigen unbebauten Flächen sind eine Zufahrtstraße, über die regelmäßig Material angeliefert wird, zwei Spielplätze, zwei Außenflächen von Kitas, der erwähnte Biergarten und Stellplätze für Autos und Bauwägen.

»Eigentlich würden wir uns gerne noch vergrößern«, sagt Metz. Sollte der Autohändler nebenan seinen Platz räumen wollen, würden Metz, Boes und ihre Mitstreiter dort gerne weiteres Kleingewerbe ansiedeln. »Die Nachfrage ist da«, sagt Metz. Immer wieder würden Menschen nachfragen, die andernorts verdrängt worden seien. Doch nun sieht es eher nach dem Gegenteil aus. »Notfalls müssen wir zusammenrücken.« Denn anderswo in Kreuzberg gebe es keine bezahlbaren Gewerbeflächen mehr.

»Ich habe natürlich ein persönliches Interesse daran, dass meine Werkstatt hier weiterläuft«, sagt Boes. »Aber ich habe auch ein politisches Interesse: Wo gibt es denn noch Handwerk in der Stadt?« Eine Mischung aus Wohnen und Gewerbe bedeute eine höhere Qualität für Städte. Viele der Arbeiten, die in den Werkstätten getätigt werden, hätten Kreuzberger in Auftrag gegeben.

Auch mit den Nachbarn verstehe man sich gut. »Hier kommt immer mal jemand, leiht sich eine Leiter oder eine Säge«, erzählt Metz. Wenn auf dem Gelände Wohnungen entstehen, so sorgen sich die Gewerbetreibenden, könnten sie am Ende wenn nicht wegen Flächenmangels, dann wegen Lärms vertrieben werden.

Diese Sorgen seien aber unbegründet, meint Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen. »Da soll niemand vertrieben werden, und da soll auch nichts abgerissen werden«, sagte sie dem »nd«.

In der Finanzverwaltung laufen die Fäden für die Planung der 25 neuen Standorte für Modulare Flüchtlingsunterkünfte (MUFs) zusammen. Bis Ende Februar konnten die Bezirke Alternativstandorte oder Bedenken an der von den Senatsverwaltungen für Finanzen, Stadtentwicklung und Integration vorgelegten Liste abgeben. Für Nachzügler wurde die Frist noch einmal bis Freitagabend verlängert.

Für Friedrichshain-Kreuzberg steht neben der Ratiborstraße auch die Franz-Künstler-Straße auf der Liste. Kurzfristig reichte der Bezirk noch einen weiteren Standort nach. Welche zwei es am Ende werden, soll Mitte nächster Woche feststehen: Dann wollen sich die Staatssekretäre über das Zwischenergebnis austauschen. Am 27. März soll schließlich der Senat über die Standorte abstimmen.

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