Linke, Liberale und Europa sind Wahlverlierer

Die großen Gewinner sind die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Lega

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 5 Min.

Italien hat gewählt. Und auch wenn das Endergebnis noch nicht feststeht, ist das Resultat doch eindeutig. Es gibt zwei große Gewinner: die Bewegung Fünf Sterne und die rechte Lega. Die beiden großen Verlierer sind die Demokratische Partei und Forza Italia mit ihren Vorsitzenden Matteo Renzi und Silvio Berlusconi.

Das Land ist zweigeteilt: Im Süden gewinnen fast überall die Fünf Sterne (bei 33 Prozent) und im Norden die rechte Koalition (bei 36 Prozent), in der die Lega mit 18 Prozent mit Abstand die stärkste Partei ist. Die mit der SPD vergleichbaren Demokraten, die bei den letzten Europawahlen noch 41 Prozent der Stimmen erhielten und die letzten Ministerpräsidenten stellten, sind jetzt gerade einmal drittstärkste Kraft mit weniger als 20 Prozent und haben auch in ihren Stammgebiet, in der »roten Mitte des Landes«, viele Mandate verloren. Die radikale Linke ist de facto verschwunden und liegt, selbst wenn man alle Parteien zusammenzählt, bei unter fünf Prozent.

Mit Abstand größte Kraft ist die Fünf-Sterne-Bewegung, eine so genannte Protestpartei, die sich in kein herkömmliches Schema pressen lässt. Hier gibt es viele Mitglieder und wenige Anführer, die einen linken Hintergrund haben. Aber auch viele Anführer und einige Mitglieder, die aus dem rechten, wenn nicht gar rechtsextremen Lager kommen. So forderte die Spitzenkandidatin im Lazio (die Region um Rom), Roberta Lombardi, kürzlich »mehr Touristen und weniger Migranten«. Hier steht man den europäischen Institutionen und auch dem Euro mehr als skeptisch gegenüber, fordert auf der anderen Seite aber ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger. Dort, wo die Partei bereits auf lokaler Ebene regiert, wie in Rom und Turin, sind die Ergebnisse mehr als dürftig. Vor allem die Hauptstadt mit ihrer Fünf-Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi ist in einem desaströsen Zustand und um die leeren Stadtkassen aufzufüllen, schließt man hier reihenweise soziale Einrichtungen.

Zur Flüchtlings- und Migrantenfrage gibt es keine eindeutigen Stellungsnahmen von den Fünf Sternen und im Schattenkabinett, das der 31-jährige Spitzenkandidat Luigi Di Majo kürzlich vorstellte, sitzen viele Unabhängige, die in der Vergangenheit auch mit den Demokraten zusammengearbeitet haben. Vor allem ein klares Versprechen hat die Bewegung in der Wahlkampagne gemacht: Mit uns wird alles anders, die »alten Parteien« mit ihren »Politikspielchen« haben ausgedient. Und südlich von Rom, in dem Teil des Landes, in dem es wirtschaftlich und sozial verheerend aussieht, haben sich die Italiener an diesen Strohhalm geklammert.

Der andere große Gewinner ist die Lega, die bis vor kurzem »Lega Nord« hieß und die Abspaltung des reicheren Nordens vom armen Süden forderte. Sie hat sich in den letzten Monaten zu einer rechten, wenn nicht sogar rechtsextremen Partei entwickelt. Ihr Spitzenkandidat Matteo Salvini fordert die Abschaffung des Euros und eine radikale Änderung der EU. Wirtschaftlich vertritt er die Einführung der Flat Tax, also eines niedrigen Steuersatzes zwischen 15 und 23 Prozent für alle und die bedingungslose Unterstützung der italienischen Kleinbetriebe, eventuell auch mit Sonderzöllen. Sein großes Vorbild ist US-Präsident Donald Trump und sein immer wieder lautstark hervorgebrachter Leitsatz lautet: »Prima gli Italiani«, die Italiener zuerst.

Der große Feind der Lega sind die »Illegalen«, die Migranten und auch die Asylbewerber. Sie sollen massenweise ausgewiesen werden und ihnen soll - wenn überhaupt - »bei ihnen zu Hause« geholfen werden. Die Lega hasst auch den Islam, will keine Moscheen in Italien und organisiert Bürgerwehren, um dem angeblichen Mob aus Illegalen Einwanderern und linken Gruppen Einhalt zu gebieten. Als die neofaschistische Partei Casa Pound der Lega ihre Unterstützung angeboten hat, wurde das nur sehr halbherzig abgelehnt.

Um es negativ zu formulieren: In Italien gibt es nach diesen Wahlen weder eine starke liberale und europafreundliche Strömung noch eine wirkliche Linke. Potere al Popolo, der neugegründete Zusammenschluss aus Rifondazione Comunista und einigen linken bis linksextremen Gruppen, hat nur etwas über einen Prozentpunkt erhalten. Maurizio Acerbo, Sekretär von Rifondazione Comunista und Potere al Popolo, erklärte gegenüber »nd«, das Wahlergebnis sei äußerst negativ zu bewerten, »da es der radikalen Linken nicht gelungen ist, die Ablehnung für sich zu Buche schlagen zu lassen, die es gegenüber der Demokratischen Partei und ihrer Regierungspolitik im Land gibt«. Der eingeschlagene Weg, die verschiedene Kräfte der radikalen Linken zu bündeln, müsse jedoch fortgesetzt werden, so Acerbo.

Wie geht es nun weiter? Auf dem Papier gibt es keine mögliche Regierung. Sowohl der Rechten wie den Fünf Sternen fehlen noch mindestens 50 bis 60 Stimmen im Parlament. Politikwissenschaftler sehen mehrere Szenarien. Eines wäre ein Zusammengehen von Fünf Sternen und Lega, die tatsächlich in ihren Programmen einige Gemeinsamkeiten aufweisen, sich bisher aber immer als erbitterte Gegner präsentierten. Ebenfalls möglich - zumindest theoretisch - wäre eine Minderheitsregierung der Fünf Sterne, die von den Demokraten unterstützt wird. Die dritte Option sieht eine rechte Regierung, vielleicht aber nicht mit dem Extremisten Salvini an der Spitze, die sich die Mehrheitsstimmen vor allem bei den Demokraten sucht, indem sie die Partei spaltet. Heute erscheint all das jenseits der politischen Möglichkeiten. Mit Sicherheit kann man nur sagen, dass bis zu einer Regierungsbildung wohl noch viel Wasser den Tiber hinunterfließen muss, der am Schluss vielleicht doch in Neuwahlen münden wird.

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