»8. März war immer Kampftag«

Am Frauentag rufen Bündnisse dazu auf, den Feminismus auf die Straße zu tragen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch 100 Jahre nach Erkämpfung des Frauenwahlrechts gibt es immer noch keine Gleichberechtigung. »Frauen verdienen in Deutschland immer noch 21 Prozent weniger als Männer«, sagt Friederike Benda, Aktivistin im Bündnis Frauen*kampftag. »Frauen sind die größte Gruppe, die im Niedriglohnsektor arbeitet oder teilzeitbeschäftigt ist. Vor allem alleinerziehende Frauen sind dadurch überdurchschnittlich von Armut betroffen. Eine zweite Ebene ist Gewalt an Frauen, auch sexualisierte.

Auch für die Abschaffung der Abtreibungsparagraphen müssen wir auf die Straße.« Clara Benda, ebenfalls im Bündnis aktiv, fügt hinzu: »Es geht auch um die kleinen Momente. Tagtäglich sitzen wir in der U-Bahn und verschränken die Beine, weil irgendein Typ breitbeinig neben uns sitzt.«

Friederike und Clara sind schon lange im Frauen*kampftag-Bündnis aktiv. Friederike hat es quasi mit ins Leben gerufen, damals war sie noch im Studierendenverband der Linkspartei aktiv, inzwischen ist sie im Landesvorstand der LINKEN. 2014 fand die erste Frauenkampftagsdemo des Bündnisses statt. »Wir haben die Notwendigkeit gesehen, uns diesen 8. März politisch zurückzuholen und ihn zu repolitisieren«, sagt Friederike. »Der 8. März war schon immer als Kampftag angelegt. Weil gesellschaftlicher Fortschritt nicht vom Himmel fällt, sondern seit unzähligen Jahrzehnten unzählige Frauen dafür gekämpft haben.« Inzwischen ist die 30-Jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Menschenrechtspolitik im Bundestag.

Clara trat dem Bündnis ein Jahr später bei. Sie ist 22 und studiert Geschichte auf Lehramt an der FU. Lange war sie bei den Falken Berlin organisiert, inzwischen habe sie sich dort zurückgezogen, sagt sie. »Meine politische Hauptaktivität ist gerade das Frauen*kampftag-Bündnis.« An ihm beteiligen sich verschiedene Parteien und deren Jugendorganisationen, politische Gruppen und Einzelpersonen. Friederike hält über die Organisation der Demo hinaus die inhaltliche Auseinandersetzung innerhalb des Bündnisses für wichtig: »Wir wollen auch die Debatten und die unterschiedlichen Analysen innerhalb der feministischen Bewegung zusammenbringen, uns konstruktiv streiten und die Solidarität zwischen Frauen stärken«, sagt sie.

Für die beiden Frauen ist der Feminismus Teil des alltäglichen Lebens. »Unser Motto für die Demo ist: Feminismus heißt Widerstand, und Widerständigkeit wird in jeder kleinen alltäglichen Situation erprobt«, sagt Friederike. So sieht das auch Clara: »In den meisten gesellschaftlichen Räumen sind wir vom Patriarchat betroffen oder erfahren Sexismus. Gerade deshalb bin ich Feministin.« Eine sinnvolle feministische Praxis besteht für sie aus drei Dimensionen: »Die kämpferische Auseinandersetzung nach innen, zu mir, nach Hause, in der Beziehung. Der kämpferische Austausch mit den Genossinnen. Und schließlich der kämpferische Austausch in die Gesellschaft hinein.«

Das Bündnis Frauen*kampftag fand trotz aller Pluralität einen politischen Konsens: »Wir konnten uns darauf einigen, dass Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus Machtinstrumente und Herrschaftssysteme sind, die uns ein gutes und schönes Leben unmöglich machen und entlang derer wir unsere Kritik an den derzeitigen Verhältnissen formulieren«, sagt Friederike.

Um den Forderungen des Bündnisses eine explizit linksradikale Perspektive hinzuzufügen, wird es wie auch in den letzten Jahren wieder den »Make Feminism A Threat«-Block geben, welcher dieses Jahr allerdings nicht von einem Bündnis organisiert wird. Stattdessen ruft die Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative« dazu auf, sich den rechten, antifeministischen Tendenzen entgegenzustellen. »Es ist auch ein antifaschistischer Kampf, den wir als FeministInnen führen«, sagt Pressesprecherin Ulrike Sommers.

Die Demonstration, die das Bündnis Frauen*kampftag organisiert, beginnt am Donnerstagnachmittag am Hermannplatz in Neukölln mit einer Auftaktkundgebung und soll bis zum Oranienplatz in Kreuzberg laufen. Sie wird nicht die einzige Demo im Kiez sein: Um 15.30 Uhr trifft sich die internationalistische Frauen*kampf Demo unter dem Motto: Frauen* wollen Revolution. Im Aufruf heißt es: »Wenn wir Frauen* schreiben, meinen wir FLTI - Frauen Lesben Trans* Inter*.« Männer könnten aber hinter der Demo herlaufen, erklärt Susanne Rößling dem »nd«. Sie ist als Teil der kurdischen Gruppe »Dest Dan« im Bündnis »internationalist feminists berlin« aktiv, welches die Demo organisiert. »2014 waren wir im Bündnis Frauen*kampftag und haben dann entschlossen, dass wir eine von Frauen organisierte und von Frauen durchgeführte 8. März Demo wollen.« Außerdem habe das neue Bündnis zu mehr internationaler Teilhabe aufgerufen. Besonders die türkischen Angriffe auf das kurdisch verwaltete Afrin in Nordsyrien wird auf der Demo Anlass zu Protest und Solidarisierung mit den kurdischen Frauen in Rojava sein, das ist dem Bündnis wichtig. »Krieg, Faschismus, Kapitalismus, Armut und Gewalt sind Teil eines Systems. Wir wollen das System nicht ändern, wir wollen es weg!«, heißt es in dem Aufruf. Dass Krieg als Erstes genannt wird, begründet Rößling mit den aktuellen Entwicklungen. »Wir alle befinden uns unter großem Druck angesichts der immer neu entfachten und angeheizten Kriege. Das macht uns besonders krank.«

Beide Demonstrationen wollen sich zu einem gemeinsamen, männerinklusiven Abschluss treffen. Darüber freuen sich auch Friederike und Clara: »Lasst uns an einem Punkt unsere ganze Kraft zusammennehmen, um am Oranienplatz zusammenzukommen.«

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