nd-aktuell.de / 09.03.2018 / Politik / Seite 16

Bestreikt und ausgesperrt

In Dänemark stecken die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in der Sackgasse - am Ende entscheidet wohl das Parlament

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Die Situation ist einzigartig für Dänemark: Auf allen drei Ebenen des öffentlichen Diensts bestehen in dieser Tarifrunde so tiefgreifende Uneinigkeiten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, dass viele Zeichen auf Streik stehen. In drei Runden wird parallel für die Beschäftigten auf Landesebene, in den fünf Regionen sowie den 98 Kommunen verhandelt. Von Anfang an standen die Tarifverhandlungen unter einem ungünstigen Stern. Schon zu Beginn im Dezember deuteten Äußerungen beider Seiten auf »Jetzt oder nie« Positionen hin, die vorläufig in Warnstreikankündigungen für den 4. April und Aussperrungen als Antwort mündeten.

Gegenwärtig treffen die Vertreter der Gewerkschaften und Arbeitgeber nur noch indirekt bei einem Schlichter aufeinander. Falls hier eingeschätzt wird, dass es Möglichkeiten der Einigung gibt, können Streiks und Aussperrungen zwei Mal um jeweils 14 Tage ausgesetzt werden, bevor der öffentliche Dienst Dänemarks lahmgelegt wird.

Auf dem Papier stehen die Partner nicht so weit voneinander entfernt. Im Durchschnitt bieten die Arbeitgeber Gehaltssteigerungen von rund sechs Prozent verteilt auf die kommenden drei Jahre an, während die Gewerkschaften zwischen acht und neun Prozent fordern. Sie argumentieren, dass die Wirtschaftskrise hinter ihnen liege und nach Jahren tariflicher Zurückhaltung die Löhne und Gehälter der öffentlich Beschäftigten denen der Beschäftigten in der Privatwirtschaft weit hinterherhinken. Umgekehrt meinen die Arbeitgeber, dass sie bereits in den Verhandlungen 2013 und 2015 Vorschüsse auf die Lohnentwicklung gewährt haben. Würden sie die Forderungen der Gewerkschaften erfüllen, seien Entlassungen oder Steuererhöhungen nötig, behauptet der dänische Städtetag. Nur so könnten die kommunalen Ausgaben in der Balance gehalten werden.

Ein weiterer Streitpunkt ist die bezahlte Mittagspause. Sie wird bisher gewohnheitsmäßig gewährt, ist jedoch in den wenigsten Fällen in Vereinbarungen festgeschrieben. Im Gegenzug steht der Arbeitnehmer auch in der Pause zur Verfügung und muss z.B. an das Telefon gehen. Die Arbeitgeber wollen die bezahlte Mittagspause abschaffen, was die wöchentliche Arbeitszeit von 37 auf 39,5 Stunden ohne Kompensation erhöhen würde. Entscheiden soll das die jeweilige Behördenleitung vor Ort.

Drittes und schwerwiegendstes Problem ist die Arbeitszeitregelung für Lehrer. Diese hatten 2013 wochenlang gestreikt, um das bis dato geltende Modell der Selbstverwaltung der wöchentlichen Unterrichtsstunden und der Vorbereitungszeit zu verteidigen. Am Ende setzte der Städtetag per Gesetz durch, dass die Schulleitungen das Verteilungsrecht haben und Lehrer mehr Unterrichtsstunden geben müssen.

Vor den jetzigen Tarifverhandlungen legten alle beteiligten Gewerkschaftsverbände einen Musketiereid ab, keinen Abschluss zu unterschreiben, bevor nicht diese Festlegung gekippt ist. Jede für sich kämpft auch für andere Forderungen wie Gehaltszuschüsse für weibliche Beschäftigte. Wenn sie dem Druck und den Versuchungen der Arbeitgeber widerstehen, liegt hier die größte Hürde in dieser Tarifrunde. Für Städtetag wie Lehrerverband, dessen Vorsitzender der Chefunterhändler der kommunalen Angestellten ist, ist die Arbeitszeitregelung ein Prestigethema.

Insgesamt können 440 000 der rund 725 000 öffentlich Beschäftigten von Aussperrungen (Lockout) betroffen werden - so viele Arbeitnehmer wie nie zuvor. Krankenhäuser, das gesamte Bildungswesen, Kindereinrichtungen und große Teile der Verwaltung würden schließen und der Bahnverkehr zum Erliegen kommen. Lediglich elementare Bereiche der Daseinsvorsorge und Notdienste sollen ausgenommen bleiben. Eine Aussperrung in dieser Größenordnung wäre nicht lange tragbar für Dänemark.

Die Arbeitgeber begründen ihre Drohung damit, dass die Folgen der angekündigten Warnstreiks wochenlange lokale Ausstände wären, die die Bevölkerung schwer treffen würden. Ein massiver, dafür aber kurzer Konflikt würde hingegen eine schnellere Lösung bringen. Das Kalkül: die Gewerkschaften ökonomisch unter Druck setzen. Denn Aussperrungen treffen beide Tarifparteien unterschiedlich. Während sich die Streikkassen der Gewerkschaften schnell leeren, sparen Stadt und Kommunen Geld für die Löhne.

Historisch gesehen wurden in Dänemark solche Großkonflikte nach kurzer Zeit vom Parlament beendet. Es nimmt dann den letzten Schlichtungsentwurf und verordnet ihn als Gesetz. Deshalb ringen beide Seite auch jetzt darum, so viel wie möglich für sich als Zwischenstand festzuhalten. Zugleich haben Gewerkschaften wie Arbeitgeberverbände ihren Willen erklärt, eine einvernehmliche Lösung zu suchen.