Parteitag berät Wahlstrategie

Hessens LINKE will wieder in den Landtag einziehen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut sieben Monate vor der Landtagswahl möchte die hessische LINKE an diesem Samstag die politische Grundlage für den vierten Einzug in den Wiesbadener Landtag seit 2008 legen. So sollen die Delegierten eines Landesparteitags in Gießen acht Stunden Zeit bekommen, um in einer gründlichen Antragsdebatte noch detaillierte Ergänzungen zum Entwurf eines Wahlprogramms einzubringen.

Viele Anträge hatte der Landesvorstand bereits in seinen Programmentwurf aufgenommen. Das 80-Seiten-Papier setzt auf »ein soziales, ökologisches, friedliches und buntes Hessen« und bringt eine Bilanz des zehnjährigen Wirkens im Wiesbadener Landtag auf den Punkt. So habe die Linksfraktion 2008 zur Abschaffung von Studiengebühren an hessischen Hochschulen beigetragen, später gemeinsam mit Mietern und DGB eine Privatisierung der Wohnbaugesellschaft Nassauische Heimstätte verhindert und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Rolle hessischer Behörden im Zusammenhang mit der Neonaziterrorbande NSU initiiert. Die Fraktion habe gewerkschaftliche Kämpfe im Plenum zur Sprache gebracht, Abschiebungen von Flüchtlingen verhindert und den Anstoß zur kritischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit früherer Abgeordneter gegeben. »Viele Forderungen, die wir als erste in den Landtag eingebracht haben, wurden später zumindest teilweise umgesetzt - auch auf Druck von Initiativen und Gewerkschaften«, hieß es.

Zu den Forderungen für die Zukunft gehören eine Rückkehr Hessens in den Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), kostenloses WLAN, die Abschaffung von Kita-Gebühren, eine Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz und Konversionsprogramme für Rüstungsschmieden. Im Kampf gegen Wohnungsnot wird eine Beschlagnahme leerstehender Immobilien und Legalisierung von Hausbesetzungen gefordert. Unübersehbar ist der Ruf nach Privatisierungsstopp bei Landesbetrieben und Grundstücken und die Rücknahme von Privatisierungen auf Landes- und kommunaler Ebene. Dies gilt auch für das 2006 unter absoluter CDU-Mehrheit privatisierte Universitätsklinikum Gießen-Marburg und den zum Global Player mutierten teilprivatisierten Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport. »Die Fraport AG soll die unter dem Druck von EU und Troika verkauften griechischen Regionalflughäfen an den griechischen Staat zurückgeben«, so der Text.

Weitergehende Aussagen zur institutionellen Trennung von Staat und Kirche und Ablehnung jeglicher Sonderrechte für Religionsgemeinschaften verlangen die Landesarbeitsgemeinschaft Laizismus und zwei Kreisverbände. Darin wird auch ein Streikrecht in kirchlichen Kitas gefordert und ein religiös motiviertes Abtreibungsverbot kritisiert. »Der § 219a muss weg: Informationen zum Schwangerschaftsabbruch müssen legal sein!« Damit könne die Partei Pluspunkte unter der immer größer werdenden Gruppe von Menschen ohne Religionszugehörigkeit sammeln, so die Begründung.

Wie der angestrebte Politikwechsel für Hessen durchgesetzt werden kann, bleibt im Programm offen. Der Versuch einer Zusammenarbeit von SPD, Grünen und Linkspartei im Land war 2008 am rechten SPD-Flügel und 2013 an den Grünen gescheitert, die derzeit mit der CDU koalieren. Trotz richtiger Einzelforderungen sei leider auch von der SPD keine grundlegende Abkehr von der neoliberalen Politik der schwarz-grünen Koalition zu erwarten, so das Papier.

Unterdessen blickt das politische Hessen gespannt auf die Stichwahl um den Oberbürgermeisterposten in Frankfurt am Main am Sonntag. Die LINKE, deren Kandidatin Janine Wissler in der ersten Runde mit 8,8 Prozent einen Achtungserfolg verbucht hatte, ruft zur Wahl des SPD-Amtsinhabers Peter Feldmann auf. Auch wenn man mit dessen Bilanz »nicht zufrieden« sei, gelte es, die von der CDU-Bewerberin Bernadette Weyland ausgehenden drohenden Rückschritte zu verhindern. Die kritische Unterstützung für Feldmann wurde von einer Mitgliederversammlung mit breiter Mehrheit beschlossen. Nach Teilnehmerberichten stimmte eine kleine Gruppe um Landtagsvizepräsident Ulrich Wilken mit Nein. »Ich habe in meinem Leben nie Sozialdemokraten gewählt«, so Wilken. Wissler entgegnete, dass Wilken als Abgeordneter 2008 bereit gewesen sei, die SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen.

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