»Meine Geschichte nimmt mir keiner mehr«

Anna Schaffelhuber ist wieder Favoritin unter den Monoskifahrerinnen. Die Konkurrenz wird jedoch mit jedem Jahr stärker

  • Thomas Eßer und Holger Schmidt, Pyeongchang
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Ergebnis von Sotschi kann Anna Schaffelhuber in Pyeongchang nicht überbieten. Mit fünf Goldmedaillen bei fünf Starts wurde die Monoskifahrerin 2014 in den Medien zur »Gold-Anna« der Winterspiele für Menschen mit Behinderung. Ist dies vier Jahre später eher Bürde oder Motivation? Glaubt man ihr, ist es keins von beiden. »Ich bin die einzige, die da oben steht und jede einzelne von den Goldmedaillen schon daheim hat«, sagt die 25-Jährige.

Die Regensburgerin will sich vor den Paralympics in Südkorea, die für sie an diesem Sonnabend mit dem Abfahrtsrennen beginnen, nicht unter Druck setzen. »Es ist nicht mein absolutes Zufriedenheitskriterium, am Ende mit fünf goldenen heimzukommen.« Sie sei entspannter geworden, sagt sie. Und das sieht nicht nur Schaffelhuber selbst so. »Sie hat in den vergangenen Jahren einen unglaublichen Reifeprozess hingelegt«, sagt der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes Friedhelm Julius Beucher. Er meint jedoch auch: »Natürlich spürt Anna Druck. Sie weiß, dass sie von vielen bei jedem Start mit dem Ergebnis von Sotschi verglichen wird.«

Der deutsche Chef de Mission Karl Quade hält die Erwartungshaltung an ein erfolgreiches Abschneiden wieder für berechtigt, »doch wenn man die Weltcupergebnisse betrachtet, wird deutlich, dass die Konkurrenz in den vergangenen Jahren größer geworden ist.« Eine Titelrivalin kommt aus dem eigenen Lager. »Anna ist von meinem Vorbild zu meiner Konkurrentin geworden«, sagt Anna-Lena Forster. »2014 war ich die Schlechtere, jetzt sind wir ungefähr auf einer Höhe«, erklärt sie. »Jeder schaut sich von der anderen was ab. Das ist für uns beide positiv.«

Schaffelhuber zählt Forster gerade im Slalom und Riesenslalom zu den Hauptkonkurrentinnen um Gold. Zudem sei die Österreicherin Claudia Lösch überall stark einzuschätzen, sagt sie. »Und die Japanerin Momoka Muraoka muss man auch immer auf der Rechnung haben.« Konkrete Medaillenziele habe sich Schaffelhuber daher nicht gesetzt. »Ich gehe es Tag für Tag an und will an jedem einzelnen das Beste rausholen«, erklärt die querschnittsgelähmte Sportlerin ihre Strategie. »Ich habe meine Geschichte in Sotschi geschrieben und die nimmt mir keiner mehr. Von daher glaube ich, dass ich einfach alles riskieren kann, ohne irgendwas zu verlieren.«

Diese Herangehensweise soll der ehrgeizigen Skifahrerin auch helfen, das »Drumherum ein bisschen zu genießen. Das ist mir bei den vergangenen Paralympics nicht so gut gelungen.« Auch von möglichen Rückschlägen wolle sie sich nicht den Spaß an den Spielen verderben lassen. Als sie im Abfahrtstraining von Pyeongchang im Fangzaun landete, sagte sie nach kurzer Fehleranalyse gut gelaunt: »Davor und danach war es eine ordentliche Fahrt und deshalb okay.«

Ein ordentliches Rennen, soll es auch an diesem Sonnabend werden. Dann hat Schaffelhuber die erste von fünf Medaillenchancen. Das Highlight folgt dann zum Schluss. »Ich freue mich besonders auf den Riesenslalom«, sagt sie und blickt schon auf den letzten Wettkampftag voraus. Wer weiß? Vielleicht hat sich Schaffelhuber dann doch wieder den Status der »Gold-Anna« erarbeitet. dpa/nd

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