Der Traum vom auskömmlichen Einkommen

Rot-Rot-Grün will höhere Löhne in Thüringen, doch gerade bei der immerhin halbstaatlichen OSG klappt das nicht

  • Sebastian Haak, Oberhof
  • Lesedauer: 3 Min.

Vertreter von Rot-Rot-Grün in Thüringen fordern bei jeder Gelegenheit, die Löhne im Freistaat müssten deutlich steigen. Doch ausgerechnet bei einem halbstaatlichen Unternehmen in Oberhof bekommen viele Angestellte gerade einmal Mindestlohn. Es handelt sich um die für den Tourismus wichtige Oberhof-Sportstätten GmbH (OSG), die zwar als privatrechtliche Gesellschaft organisiert ist, tatsächlich aber dem Staat gehört. Ohne viel Geld aus dem Landeshaushalt wäre sie nicht überlebensfähig.

Nachdem der Freistaat von der CDU jahrelang als Billiglohnland vermarktet worden sei, bräuchten die Menschen hierzulande endlich auskömmliche Einkommen, argumentieren die Vertreter der Regierungskoalition von Linkspartei, SPD und Grünen regelmäßig. Nur so könnten die Menschen in Thüringen auch ausreichend für ihren Ruhestand vorsorgen - vor allem, indem sie ausreichend Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlten.

Nach vorliegenden Informationen erhalten viele der etwa 50 OSG-Beschäftigten nur den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro brutto pro Stunde. Der reicht für die Betroffenen verschiedenen Berechnungen zufolge aber bei Weitem nicht aus, um gesetzliche Rentenanwartschaften zu erarbeiten, die über der Grundsicherung im Alter liegen. Viele andere OSG-Beschäftigte liegen mit ihrem Brutto-Stundenlohn nur knapp über dieser gesetzlichen Lohnuntergrenze. Auch Aushilfskräfte der OSG erhalten in der Regel nur den gesetzlichen Mindestlohn. Nur wenige Mitarbeiter mit Leitungsfunktionen bekommen den Informationen nach ein höheres Einkommen.

Die OSG betreibt in Oberhof verschiedene touristische Anlagen, unter anderem den Fallbachlift und das Bad H2Oberhof. Sie erhält nach Angaben des Thüringer Finanzministeriums einen jährlichen Zuschuss von etwa 750 000 Euro vom Land. Muttergesellschaft der OSG ist der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum, in dem der Freistaat, der Landkreis Schmalkalden-Meiningen und die Stadt Oberhof vertreten sind. Dieser Zweckverband hat seit einigen Tagen einen neuen Vorsitzenden: den Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium, Hartmut Schubert (SPD).

Der Geschäftsführer der OSG, Carsten Blank, bestätigte diese Informationen zumindest indirekt - auch wenn er keine genauen Zahlen nannte. »Es ist richtig, dass in der heutigen Zeit eine wettbewerbsfähige Entlohnung in der regionalen Wirtschaft zwingend notwendig ist, um Personal zu halten oder zu gewinnen«, sagte er. »Bei diesem Punkt hat die Oberhof-Sportstätten GmbH derzeit einen entsprechenden Nachholbedarf.«

Scharfe Kritik an der geringen Entlohnung so vieler OSG-Beschäftigter kommt von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. »Das ist nicht hinnehmbar«, sagte der ver.di-Sekretär Frank Zwicker. Unternehmen, die so viel Geld aus dem Landeshaushalt bekämen, müssten bei der Entlohnung ihrer Mitarbeiter eine Vorbildfunktion haben. Allerdings würden viele Firmen, die Spaßbäder in Thüringen betrieben, ihre Mitarbeiter nur mit dem Mindestlohn oder ganz knapp darüber entlohnen.

Immerhin gibt es für die Mitarbeiter der OSG aber einen kleinen Lichtblick: Der Aufsichtsrat der OSG habe auf Vorschlag der Geschäftsführung Anfang März beschlossen, ab dem 1. April einen Sonn- und Feiertagszuschlag für alle Mitarbeiter des Unternehmens einzuführen, sagte Blank. »Wir sind davon überzeugt, mit der vorgenannten Entscheidung ein attraktiveres Gehaltsumfeld den Mitarbeitern anbieten zu können.« Die Verbandsversammlung der Muttergesellschaft der OSG müsse jedoch noch zustimmen.

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