nd-aktuell.de / 22.03.2018 / Politik / Seite 8

Eingezwängt zwischen Riesen

Nepal wird seit knapp einem Monat von einem sogenannten Linksbündnis regiert

Gilbert Kolonko, Budhabare

Hupen ist jetzt verboten in Nepal. In den Basarstädten Ilam, Dharan und Dhankuta im äußeren Osten Nepals weisen Schilder daraufhin - und Auto- und Mopedfahrer halten sich daran. Auch Mülleimer werden in Nepal mittlerweile benutzt. Und in Katmandu gibt es seit dem vergangenen Jahr kaum noch Stromausfälle. Nepal verändert sich. Neu ist auch der freundliche Ton der indischen Regierung gegenüber dem kleinen Nachbarn am Himalaya - wie etwa bei den aktuellen Neuverhandlungen über das 1950 getroffene Freundschaftsabkommen, das unter anderen die Wassernutzung der nepalesischen Flüsse, die nach Indien fließen, zu Gunsten Indiens regelt. Im Süden Nepals, in Janakpur, baut Indien als Geschenk seit zwei Jahren an einer Eisenbahnlinie. Das sich der Ton verändert, hat aber nichts damit zu tun, dass seit Februar ein sogenanntes Linksbündnis die in Nepal regiert. Indiens Ton hat sich verändert, weil China mittlerweile in großem Still in Nepal investiert.

Die anderen positiven Lichtblicke liegen an einzelnen aktiven Bürgern und Politikern. So achten immer mehr kleine Teebauern auf Qualität, verarbeiten die gepflückten Blätter selbst und verkaufen den Tee für bis zu 40 US-Dollar pro Kilo, anstatt die Teeblätter für 50 Cent das Kilo an die Fabriken zu liefern. Anfang Januar 2017 deckte der Energieminister Janardan Sharma (von der Partei der ehemaligen maoistischen Rebellen CPU-M-Centre) auf, dass die politische Elite den Strom über Jahre künstlich knapp hielt und ihn unter der Hand verkaufte - zwei Monate später hatte die Hauptstadt Katmandu beinahe rund um die Uhr Strom. Dass Sharma bis heute nicht, wie angekündigt, die politischen Köpfe nannte, die hinter dem jahrzehntelangen Stromdiebstahl standen, hat auch mit dem neuen Koalitionspartner von Sharmas Partei zu tun: Die dem Namen nach marxistische UML, die bei den Wahlen 121 der 275 Parlamentssitze gewann. Mit der anderen Volkspartei Nepal Kongress bestimmt die UML seit 1990 die Politik des Landes - die Korruption ihrer Abgeordneten, die sich bis heute aus den hohen hinduistischen Kasten speisen, waren ein Hauptgrund für den maoistischen Aufstand 1996.

Der aktuelle Premierminister Khadga Prasad Oli übte seit 2008 schon zweimal das höchste Amt des Landes aus und war als Minister an mehreren Regierungen beteiligt. Ein Blick auf den Korruptionsindex zeigt, dass es bei großspurigen Ankündigungen blieb - aktuell gelten in Asien nur Afghanistan und Bangladesch als noch korrupter. So verwundert es nicht, dass die Bürger des Landes für eine anständige Krankenversorgung zum ungeliebten Nachbarn Indien reisen. Das tun saisonal ebenfalls etwa 10 Millionen Nepalesen - der Arbeit wegen. Und jedes Jahr gehen dauerhaft 500 000 Nepalesen ins Ausland - vorwiegend in die Golfstaaten, wo sie für 300 bis 500 US-Dollar im Monat bei bis zu 50 Grad im Schatten unter anderen die Stadion in Katar für die Fußball WM 2022 bauen. Die Überweisungen der im Ausland tätigen Nepalesen sorgen für 31 Prozent des nepalesischen Bruttoinlandsprodukts. Ein weiteres Drittel steuert das Ausland mit Hilfszahlungen und Krediten bei.

Auch auf den Straßen und in den Dörfern Nepals ist nichts von einer Euphorie wegen des Wahlsieges des Linksbündnisses zu spüren. Dafür etwas anderes: »Dass unser Abgeordnete von den Maoisten ist, ist völlig egal«, sagt der 50-jährige Hotelier Regmi in der abgelegenen Basarstadt Budhabare energisch. »Wir haben ihn danach beurteilt, was er die letzten Jahre für unsere Stadt getan hat!« Im Distrikt Rolpa im rückständigen Mittelwesten Nepals, hatten die Menschen der Ortschaft Thabang allen Parteien jegliche Wahlauftritte verboten - sie hatten genug von den leeren Versprechen ihrer Lokalpolitiker.

Das positivste am Wahlsieg von UML und der CPU-M-Centre ist, dass sie zusammen 174 der 275 Abgeordneten stellen - die Zeit der ewigen Ausreden ist vorbei. Und die Vorzeichen, das Land mit dieser Mehrheit nach vorne zu bringen, waren nie besser: Eingezwängt zwischen den Riesen Indien und China versteht es die Regierung mittlerweile, sich mit verweis auf die militärische Stärke des jeweils anderen großen Nachbarn vor allzu großer politischer Einflussnahme zu schützen. Auch die Rückständigkeit des Landes, zu der der 10-jährige Bürgerkrieg beitrug, hat etwas Positives: Nepal ist von den Zerstörungen, die die Billigindustrien in Indien und Bangladesch anrichten, bisher verschont geblieben. Allerdings droht eine andere Gefahr: In Nepal lagern die zweitgrößten Süßwasservorkommen der Erde, immer mehr Dörfer und Kleinstädte bauen ihre eigenen Wasserkraftwerke, ohne dabei die Flüsse zu stauen. Ausländische Intuitionen üben jedoch Druck aus, das Nepal riesige Staudämme und Wasserkraftwerke baut, um mit den Einnahmen die Schulden zurückzuzahlen.