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Wetzlar wehrt sich gegen die NPD

Die Stadt verweigerte Neonazis ihre Stadthalle und setzte sich damit über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinweg

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Hotel am Rande der Innenstadt, Samstagnachmittag im hessischen Wetzlar. Etwa 40 Neonazis haben sich hier versammelt, einige trinken Bier. Um 14 Uhr brandet Jubel bei den Rechten auf. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die Stadt Wetzlar den Neonazis die Stadthalle überlassen muss. Schon seit Wochen gibt es juristische Auseinandersetzungen um die Wahlkampfveranstaltung der hessischen NPD. Mit Auftritten von Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet und mehreren Rechtsrockbands wollte man in den hessischen Landtagswahlkampf starten. Die Stadt Wetzlar hatte etwas dagegen, scheiterte mit Beschwerden aber vor mehreren Gerichten. Diese argumentierten, die NPD sei zwar verfassungsfeindlich, aber nicht verboten und forderten die Stadt zur Unterzeichnung des Mietvertrags auf. Am Freitagnachmittag sah alles danach aus, dass die neonazistische Partei ihr Konzert mitten in der Wetzlarer Innenstadt durchführen könnte.

Doch dann überraschte die Stadtverwaltung ein weiteres Mal. Am späten Freitagabend teilte sie mit, dass sie grundsätzlich bereit sei, der NPD die Stadthalle zu überlassen. Die Veranstaltung könne aber trotzdem nicht stattfinden, da die Partei die üblichen Mietbedingungen nicht erfülle. Es fehle an Versicherungspolicen und einem Sanitätsdienst. Diese gehörten zu den Voraussetzungen für eine Nutzung der Halle.

Wegen dieser Anforderung blieb es am Samstag auch nur bei einem kurzen Jubel der Neonazis. Die Stadt Wetzlar gab dem örtlichen NPD-Stadtverordneten Thassilo Hantusch zwar noch einmal die Gelegenheit, in der Geschäftsstelle der Stadthalle vorzusprechen, dort entschied man aber, dass die Partei die Halle nicht anmieten könne. Der Wetzlarer SPD-Oberbürgermeister Manfred Wagner beharrte darauf, dass die NPD die »üblichen Voraussetzungen« nicht erfülle und setzte sich damit über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinweg. Das Gericht will den Vorgang nun prüfen. Man werde sich die Sache am Montag anschauen und sehen, wie man weiter verfahre, sagte ein Gerichtssprecher.

Mit dieser Entscheidung ist Wagner zur Hassfigur der Rechten geworden. In den sozialen Netzwerken forderten Neonazis die Polizei dazu auf, den engagierten Sozialdemokraten festzunehmen. Andere forderten, Polizei und Stadtverwaltung in Wetzlar müssten vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die hessische NPD heizte die Stimmung mit Aufforderungen zum »Widerstand« nach Artikel 20 des Grundgesetzes an. Wetzlar setze sich in einer in »dieser Form noch nicht da gewesenen Dreistigkeit über geltendes Recht« hinweg.

Manfred Wagner und ein breites Bündnis gegen die Nazis ließen sich davon nicht beeindrucken. Mit über 2000 Menschen zogen sie einmal quer durch Wetzlar und feierten vor der Stadthalle ein großes Demokratiefest. Die Neonazis fuhren am späten Nachmittag sichtlich bedröppelt ab. Aus der Nazi-Party in der repräsentativen Stadthalle wurde nichts.

Die Veranstaltung fand am Abend dann allerdings doch noch statt - in einem Privathaus im nahe gelegenen Dorf Leun. Dort gibt es mit dem Bistro »Hollywood« seit Jahren einen Treffpunkt der neonazistischen Szene. In Leun wurden es dann auch ein paar mehr als die 40 Rechten, die in Wetzlar herumgestanden hatten. Aus dem gesamten Bundesgebiet waren Neonazis angereist und blieben, abgesehen von Polizeikontrollen, unbehelligt. Sie lauschten Bands wie »Kategorie C«, die sowohl bei Hooligans als auch bei Neonazis sehr beliebt ist, oder »Oidoxie«, die sich selbst als Band der Naziterroristen von »Combat 18« bezeichnet. Der aus Dortmund stammende Sänger Marco Gottschalk soll am Aufbau einer terroristischen Zelle in der Stadt beteiligt gewesen sein, wurde dafür jedoch nie belangt.

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