Die Bahn überrascht mal positiv

Erster Werktag mit Bahnsperrung im Ruhrgebiet

  • Antonia Hofmann, Essen
  • Lesedauer: 3 Min.

Hinter dem Duisburger Hauptbahnhof beugen sich Dutzende Menschen mit zusammengekniffenen Augen über einen Fahrplan. »Schienenersatzverkehr« steht darüber. »Ich hab'die Haltestelle erst gar nicht gefunden«, sagt eine Frau. Ihr Gegenüber blickt auf die Uhr. »So, jetzt ist es aber langsam Zeit, dass hier mal der Bus kommt«, meint er und hustet. Das Thermometer zeigt vier Grad über Null.

Dutzende Pendler warten am Montagmorgen in Duisburg gähnend und im Halbdunkel auf die Ersatzbusse für Regional- und S-Bahnen. Es ist der erste Werktag nachdem die Bahn die Ruhrgebiets-Hauptstrecke zwischen Essen und Duisburg gesperrt hat - eine der wichtigsten Bahnstrecken in ganz Deutschland.

Seit Freitagabend und die ganzen Osterferien über müssen Bahnfahrer im Ruhrgebiet mit Umleitungen, Verspätungen und Fahrplanänderungen rechnen. Betroffen ist im Nahverkehr vor allem die Strecke Essen-Duisburg, wo die Ersatzbusse ihren angepeilten Zehn-Minuten-Takt am Montagmorgen größtenteils einhalten. Gut gefüllt fahren die meisten in Duisburg ab, aber jeder Reisende kommt mit.

»In der Summe ist der Ersatzverkehr in der Hauptverkehrszeit gut angelaufen«, sagt eine Bahnsprecherin. »Alle Reisenden sind gut weggekommen.« Vereinzelt hätten Kunden sich noch informieren müssen. »Das muss sich alles einfahren, Reisende müssen ihre Wege finden.« Die Bahn hatte schon Wochen vor der Sperrung intensiv mit Plakaten, Durchsagen in den Zügen und Fahrplanheften für den Ersatzverkehr informiert.

Allerdings: Die Strecke zwischen Duisburg und Essen dauert im Berufsverkehr am Montagmorgen gut 40 Minuten - also fast dreimal so lange wie mit dem Regionalexpress.

Die Bahn hatte zusätzliche Mitarbeiter geschickt, die die Leute unter anderem an den Haltestellen beraten oder Infomaterial verteilen. Die Wege sind ausgeschildert, vereinzelt blicken aber auch orientierungslose Reisende im Morgengrauen suchend umher und fragen sich durch. Dennoch haben die meisten Verständnis. »Das muss man schon mal in Kauf nehmen«, sagt eine junge Frau in Duisburg. Und die Bahn habe das gut organisiert. »Ich bin positiv überrascht, ganz ehrlich.«

Anders sieht das Sabine Julius-Schäfer aus Borken. Die 56-jährige Kinderkrankenschwester sitzt um 9 Uhr nach ihrer Nachtschicht in einem Bushäuschen hinter dem Essener Bahnhof und wartet auf ihren Mann, der sie nun abholen muss. Die Bahnmitarbeiter hätten ihr nicht weiterhelfen können, sagt sie mit müden Augen. Das liegt möglicherweise daran, dass die Strecke nach Borken von einem privaten Anbieter befahren wird. Das Unternehmen hatte nach eigenen Angaben zwar ebenfalls einen ausgeschilderten Ersatzverkehr von und bis Bottrop organisiert, aber den Reisenden keine eigenen Berater zur Seite gestellt.

Grund für die Streckensperrung im Ruhrgebiet ist der Neubau einer Straßenbrücke in Mülheim an der Ruhr. Die Bahn nutzt die Zwangspause für mehrere Bauvorhaben. Im Fernverkehr werden Züge zwischen Dortmund und Köln umgeleitet, es kommt zu veränderten Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Die Halte in Bochum, Essen Hauptbahnhof und Mülheim an der Ruhr entfallen. dpa/nd

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