Zeichen für gemeinsame Regierung?

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die politische Lage in Italien kann nur als Patt bewertet werden: Keine der Bewegungen und Parteien verfügt über eine Stimmenmehrheit, die für eine Regierungsbildung ausreicht. Nach politischen Absichtserklärungen liegen die Richtungen auch so weit auseinander, dass Koalitionen unwahrscheinlich scheinen.

Umso mehr verwundert, dass sich die Protestbewegung Beppe Grillos (Bewegung Fünf Sterne/ M5S) ausgerechnet mit den Vertretern der rechten Lega ins Benehmen setzen. Die M5S erreichten bei den Parlamentswahlen vom 4. März 32 Prozent der Stimmen und sind damit die größte im Parlament vertretene Einzelpartei. Die Mitte-Rechts-Koalition aus Lega und Forza Italia erlangte 36 Prozent der Abgeordnetensitze, wobei die Führung von Silvio Berlusconi an Lega-Chef Matteo Salvini wechselte. Salvini war es auch, der die Fühler zum M5S-Spitzenkandidaten Luca Di Maio ausstreckte. Man einigte sich, die Führung je einer Kammer abzusprechen. Mit der künftigen Senatspräsidentin Maria Elisabetta Alberti Casellati bekleidet erstmals eine Frau das Amt. Präsident des Abgeordnetenhauses wird der 42-jährige Roberto Fico, ein Urgestein der Grillo-Bewegung.

Die Tage vor der Wahl der Kammerpräsidenten waren turbulent. Salvini setzte sich über den langjährigen Ex-Premier und Forza-Italia-Chef Berlusconi hinweg und kündigte die Einigung mit M5S an. Berlusconi explodierte und erklärte den Bruch der Mitte-Rechts-Koalition. Doch vor der entscheidenden Wahl am Samstag tagten die Parteien nochmals und fanden einen Kompromiss: Mit der 71-jährigen Alberti Casellati wurde eine langjährige Parteigefährtin Berlusconis an die Spitze des Senats gewählt. Die Juristin ist eine enge Vertraute, als Staatssekretärin im Justizministerium war sie maßgeblich an der Ausarbeitung von Gesetzen beteiligt, die den FI-Chef vor Strafverfolgung schützten. Zumindest vorerst scheint der völlige Bruch verhindert, wenngleich auch Salvini keine Gelegenheit auslässt zu verkünden, dass Berlusconis Zeit abgelaufen sei.

Beobachter in Rom werten die jetzt getroffene Wahl der Kammerpräsidenten bereits als Omen für eine Regierungsbildung. Di Maio könnte um eine Koalition mit der Lega nachsuchen, um Regierungschef zu werden. Doch auch Salvini hat diese Ambitionen noch nicht aufgegeben, könnte aber nur ins Amt gelangen, wenn es ihm gelänge, das Mitte-Rechts-Bündnis stabil zu halten.

Di Maio gehört seit Gründung der Bewegung zum engen Führungskreis um Beppe Grillo, politische Erfahrung sammelte er als Vizepräsident des Abgeordnetenhauses in der vergangenen Legislatur. Er gilt als geschickter Taktierer. Dies könnte auch ein weiteres Zeichen für die nach Ostern beginnenden Sondierungsgespräche sein. Ähnlich wie Giulio Andreotti in den 1960er Jahren, der »auf zwei Herden kochen« wollte - der Linken wie der Rechten - könnte auch Di Maio agieren: Die jetzt zur Kammerpräsidentenwahl erzielte Übereinkunft mit der Lega könnte ein Köder sein, der in Richtung der Demokratischen Partei (Pd) ausgeworfen wurde. Der Pd Matteo Renzis unterlag dramatisch bei den Wahlen und kündigte an, in die Opposition gehen zu wollen. Nun aber könnte sich die Partei genötigt fühlen, mit M5S zu koalieren, um »das Schlimmste« zu verhindern.

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