Katastrophaler America-First-Kapitalismus

Strategie gegen Handelskriege ist nötig, um eine neue Weltwirtschaftskrise zu vermeiden

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 4 Min.

Donald Trump ist dabei, den seit Jahren schwelenden Krieg zwischen den großen Welthandelsplayern offen ausbrechen zu lassen. Dabei hat der Produzent von Falschmeldungen hier einige Fakten auf seiner Seite: Die Bilanz bei den Exporten aus den USA fällt gegenüber den Importen aus Deutschland (2017 über 111 Milliarden Euro), der EU (120 Milliarden Euro) und China (243 Millikarden Euro) seit Jahren negativ aus. Auch sind die Zölle beispielsweise auf Exporte in die USA aus der EU mit 3,5 Prozent niedriger als die auf Importe aus den USA (5,2 Prozent).

Trump nutzt diese unbestreitbaren Fakten - wie schon im Wahlkampf durch Instrumentalisierung der Globalisierungsverlierer in der ehemaligen Industrieregion der USA, dem Rostgürtel - für seinen katas-trophalen »America-First«-Nationalismus. Protektionistische Zölle konzentriert er erst mal auf Importe von Stahl mit 25 Prozent und von Aluminium mit 10 Prozent vor allem gegenüber China. Die EU erhält wegen der zu erwartenden politischen Widerstände allerdings nur bis zum 1. Mai eine Schonzeit. Am Beispiel der Stahlindustrie aus der EU wird klar: Es geht Trump nicht um die Abwehr von Dumpingpreisen als Folge staatlicher Hilfen der Importländer, sondern um den Schutz der US-Stahlindustrie gegenüber der überlegenen Konkurrenz aus dem Ausland. Nach dem Abbau von 35 Prozent der Beschäftigten liegt die aktuelle Auslastung der Produktionskapazitäten im Stahlbereich nur bei etwas über 70 Prozent.

Ein faktenbasierter Vergleich zeigt: Die konkurrierende Stahlindustrie beispielsweise aus der EU verfügt mit ihrer hocheffizient erzeugten Produktionspalette über eine viel höhere Wettbewerbsfähigkeit. Diese Konkurrenz etwa aus Deutschland ist im Kern frei von staatlichen Subventionen. Trotz intensiver Bemühungen konnte die US-Administration den Vorwurf des Dumpings, also von Preisen, die auch dank Staatshilfen unter den Herstellungskosten liegen, nicht nachweisen. Vielmehr wird die Section 232 des Außenhandelsgesetzes, die den Präsidenten mit Bezug auf die drohende äußere oder innere Sicherheit handeln lässt, herangezogen. Die bittere Erkenntnis: Anstatt die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, will Trump mit Zöllen diese Branche vor der internationalen Konkurrenz schützen.

Nicht nur Trump verweist darauf, dass in den letzten Jahren auch durch die EU etliche Strafzölle etwa auf Stahlimporte aus China erhoben worden sind. Warum wird ihm dieses Instrumentarium verweigert? Im Vergleich mit China gegenüber der EU-Stahlbranche gibt es einen fundamentalen Unterschied. So ist beispielsweise die deutsche Stahlindus-trie ohne staatliche Hilfe mit ihrer hochwertigen Produktpalette und hochmodernen Produktionstechnologie wettbewerbsfähig. Deutschland wurde jedoch in den letzten Jahren von massiv gestiegenen Stahlimporten mit gezielten Dumpingpreisen aus China überschwemmt. Diese liegen nachweislich auch durch vielfältige staatliche Hilfen unter den Herstellungskosten. Im Unterschied zu den USA dienen daher die EU-Zölle der Abwehr von Dumpingvorteilen. Deshalb werden beispielsweise auf die China-Importe von Kaltfeinblech bis zu 36,1 Prozent und auf korrosionsbeständige Stähle bis zu 42,9 Prozent Zölle gegenüber einzelnen Unternehmen in China erhoben.

Übrigens haben diese von der Welthandelsorganisation akzeptierten Strafzölle die Stahlimporte aus China zwischenzeitlich reduziert, ja sogar zur Schließung von Stahlwerken in China geführt. Zusätzlich gibt es auch noch ein ökologisches Dumping. Gegenüber dem in Deutschland unter hohen Umweltstandards produzierten Stahl fallen vergleichbare Betriebsausgaben in Umwelttechnologien in China kaum an. So entspricht die CO2-Mehrbelastung durch sieben Millionen Tonnen importiertem Walzstahl aus China gegenüber der Produktion in Deutschland dem Ausstoß von 2,1 Millionen Mittelklasse-Pkw pro Jahr. Dieser »ökologische Rucksack« ist auch der Grund für die zum Teil entlastenden Sonderregelungen bei den Energiegesetzen zur CO2-Reduktion.

Trumps Kritik an den Handelsbilanzungleichgewichten ist grundsätzlich verständlich, die Antwort mit protektionistischen Zöllen jedoch ökonomisch auch für die USA dumm und politisch brandgefährlich. Bereits die ersten Reaktionen Chinas auf die geplanten Zölle für Stahl- und Aluminiumprodukte lassen die eskalierenden Folgen eines Handelskrieges erkennen. Schweinefleisch, Wein und Stahl aus den USA sollen mit Strafzöllen belegt werden. Gezielte Behinderungen der in China produzierenden Konzerne wie Apple und Google sind nur noch eine Frage der Zeit.

Die EU ist jetzt in der Verantwortung. Die beliebte vordergründige Kritik aus Politik, Teilen der Wirtschaftswissenschaft und vor allem von einschlägigen Wirtschaftsverbänden an Trumps zerstörerischem »America-First«-Imperialismus offenbart sich durchaus als scheinheilig. Seine nationalistisch verzerrten Attacken auf existierende Diskriminierungen im Welthandel zurückzuweisen, hieße, mit richtigen Antworten Handelskriege, die nur Verlierer kennen, zu vermeiden. Es geht jetzt vor allem um den Abbau der massiven Handelsbilanzüberschüsse. Deutschland steht mit seinen chronischen Exportüberschüssen bei Gütern und Dienstleistungen im Mittelpunkt der Kritik. 2017 überstiegen die Exporte die Importe um 227 Milliarden Euro, das sind sieben Prozent, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt.

Eine Strategie zur Reduzierung der Exportüberschüsse ist: Durch die Stärkung der Binnenwirtschaft mit öffentlichen Investitionen, angemessenen Löhnen im Verhältnis zum Verteilungsspielraum und dem Abbau von Armut würden die Importe zunehmen und der Außenbeitrag reduziert. Immerhin hat die Bundeskanzlerin diesen Zusammenhang auf dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel erstmals angesprochen. Darüber hinaus sollte die EU das Jahrhundertwerk des generellen Abbaus von Zöllen im Rahmen von GATT forcieren. Im Prozess der wirtschaftlichen Renationalisierung mag das naiv klingen. Aber es gilt, durch die Verhinderung von Handelskriegen eine neue Weltwirtschaftskrise zu vermeiden.

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