Für eine humane Asylpolitik

Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer schließen sich zusammen, um die politischen Rahmenbedingungen zu ändern

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist schlecht bestellt um das Asylrecht in Deutschland. Nach einer anfänglichen Willkommenskultur im Jahr 2015 hat die Bundesregierung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise das deutsche Asylrecht auf radikale Weise beschnitten, um die Flüchtlingszahlen möglichst schnell abzusenken. Getrieben von rechten Kräften entstand so eine Politik, die Asylsuchende vor allem als Problem betrachtet. Es wird seitdem auf überregionaler Ebene kaum mehr konstruktiv darüber diskutiert, wie Integration gelingen kann, sondern es geht überwiegend um populistische Schlagworte. Dazu zählen auch Forderungen nach mehr Abschiebungen und nach der Einführung einer Obergrenze. Selbst das optimistische »Wir schaffen das!« von Kanzlerin Angela Merkel, das vielen Asylhelfern aus dem Herzen gesprochen hat, ist längst passé.

Gegen diese Politik ein Veto einzulegen, das ist das Ziel eines gleichnamigen Verbandes. Als »Unser Veto« hat sich dieser im März 2017 gegründet, um die Interessen ehrenamtlicher Asylhelfer zu vertreten. Bundesgeschäftsführer Raffael Sonnenschein kommt selbst aus einem solchen Umfeld, hat sich in seiner Heimatstadt Landsberg am Lech für Flüchtlinge engagiert. 2016 initiierte er dort einen 24-stündigen Streik der ehrenamtlichen Helfer, die damit ein Zeichen gegen die restriktive Asylpolitik in Bayern setzen wollten. Die maßgebliche Aufgabe seiner Organisation sieht er dementsprechend in der Vernetzung der vielen verschiedenen Helfer, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind, aber oftmals nicht mit anderen Verbänden im Austausch stehen.

Für dieses Angebot gibt es offensichtlich einen dringenden Bedarf, denn mittlerweile haben sich 9946 Helfer bei dem Zusammenschluss angemeldet - Tendenz steigend. In Bayern entstand nun der erste Landesverband, der als Vorbild für weitere dienen soll, die bald entstehen werden. Mit Hilfe des Bundesverbands wollen sich die Mitglieder aktiv in die Debatte einmischen und entschieden für eine humane Asylpolitik eintreten, auch im Vorfeld der bayrischen Landtagswahl, die im Oktober stattfindet. Ihnen geht es um einen grundlegenden politischen Wandel hin zu einer Gesellschaft, die sich ihre Politik nicht von Rechtsaußen diktieren lässt.

Sonnenschein setzt hierfür auf die Überparteilichkeit des Verbands, die dessen Arbeit präge. Bei »Unser Veto« engagieren sich Helfer aus unterschiedlichen politischen Spektren, darunter auch Menschen mit einer eher konservativen Einstellung. Tatsächlich sind Asylhelfer mit einem solchen politischen Profil gerade in der öffentlichen Debatte kaum präsent. Sie engagieren sich zwar vielfach lokal in den Helferkreisen, zum Beispiel bei kirchlichen Gemeinden, aber werden von der Politik selten mit ihren Erfahrungen wahrgenommen.

Es ist deshalb Sonnenscheins Kernanliegen, dass die Flüchtlingshelfer im Diskurs keine marginale Rolle mehr spielen. »Sie sollen nicht nur wahrgenommen, sondern auch ernstgenommen werden«, betont der Geschäftsführer im Gespräch mit dem »nd«. Dazu wolle man aktiv an die Politik herantreten und die Forderungen direkt bei den Verantwortlichen vertreten. »Es ist ganz klar in unserem Sinne«, sagt Sonnenschein, »mit unseren Zielen in die Verhandlung zu treten und über die Forderungen zu sprechen.« Als eines der wichtigsten Ziele benennt der Geschäftsführer, den unklaren Status vieler Asylsuchender zu beenden. Diese würden in einem komplexen Verfahren stecken, ohne dass sie ihre Zukunft abschätzen können. Das hemme die Integration. Sonnenschein plädiert für »pragmatische Lösungen«, um das Leben der Betroffenen zu verbessern - etwa in Form einer Amnestie, wie sie alle 15 bis 20 Jahre in den USA für »illegale Einwanderer« gewährt wird. Nach einem solchen Erlass können sich diese offiziell bei den Behörden melden und haben eine Perspektive, die sie verfolgen können.

Auf dieselbe Weise könnten Asylsuchende, deren Antrag ursprünglich abgelehnt wurde, in Deutschland eine zweite Chance erhalten, fordert der Aktivist. Wichtig sei jedoch, dass »sie ihr Gastrecht nicht verwirken und unser Grundgesetz lieben lernen«, greift Sonnenschein eine umstrittene Formulierung auf, die er jedoch nicht in Bezug auf das Asylrecht verstanden wissen will, sondern in Bezug auf ein Einwanderungsrecht, das abgelehnten Asylbewerbern bei gesetzestreuem Verhalten die Möglichkeit zu Bleiben eröffnet.

Wie »Unser Veto« versuchen auch mehrere andere Organisationen, Asylhelfern eine Stimme zu verleihen. So hat sich beispielsweise bereits im Oktober in Bayern der Verein »Matteo«, ein Netzwerk kirchlicher Asylhelfer, mit einer ähnlichen Intention gegründet. Bedingt durch die zunehmende Verschärfung des Asylrechts eint sie, ungeachtet aller politischen Differenzen, ein Ziel: Ihre Stimme gegen eine Asylpolitik zu erheben, die das Schicksal der Betroffenen längst aus dem Auge verloren hat.

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