Die Late Night

Paula Irmschler über den neuesten deutschen Spätabend-Talker und die männlichen Fans von Late Night Shows

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Sie wählen müssten, von welcher Sache auf der Welt, von der es schon quälend viel gibt, es noch mehr geben sollte, neben Familientreffen, Becks und Kameras bei Rewe, was wäre das? Genau, noch mehr weiße Anzugheinis, die nervös vor Publikum stehen, Witze über das Saarland machen, lustige Einspieler dazwischen streuen und sich auch nicht davor scheuen, mal in die Fußgängerzone zu gehen, um deppige Antworten von Normalos einzufangen. Und dann haben Sie sicher auch sogleich Bock, in dem der Alterspyramide konträr gegenüberstehenden Publikum zu sitzen und sich auf die Knie zu klopfen, weil Sie so überrascht sind, wie doof Menschen und Politiker sind. Trump ist das Letzte, schalala.

Klaas Heufer-Umlauf, die Hoffnung der SPD, hat jetzt auch so eine Sendung und es ist im Grunde komplett egal, aber auch immer ein Meilenstein der Medienlandschaft, der von allen besprochen, kritisch beäugt und bei dem auch das Positive hervorgehoben werden muss. Was macht er anders als die anderen hundert Typen vor ihm? Nichts und alles natürlich, man möchte tief in eine Zwiebel beißen. Vor ihm waren Gottschalk, Koschwitz, Raab, Schmidt und der mit den Haaren. Zudem gibt es immer völlig versteifte Side-Kicks, von denen man sich fragt, warum sie eigentlich vor eine Kamera gezwungen werden, die vermutlich als Autoren gedacht waren. Und da gibt es auch immer diese eine Frau, die ihr Frausein aufs Korn nimmt und dann ein paar Monate darf und wieder verschwindet, hier die neue Platte, das neue Buch von unserem Gast, Heinz Strunk macht auch noch irgendwas und da ist auch schon wieder Helmut Zerlett und Band! Das Publikum applaudiert, alle gehen nach Hause, der Fernseher wird abgeschaltet und Zack, ist alles wieder vergessen, als hätte man kurz einen Text überflogen, von dem man später behauptet, ihn gelesen zu haben.

Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste sind Late-Night-Show-Fans, und zwar männliche. Sie zeigen einem ständig YouTube-Ausschnitte von ihren Lieblingen und haben Vorträge dazu parat. Denn das Beste sind, und das ist ja sonnenklar, die amerikanischen Late-Nighter. Da ist Deutschland kein Vergleich, fällt weit zurück, das deutsche Publikum kann gar nicht so richtig, die Amis haben eine andere Kultur. Die amerikanischen Helden heißen alle Jimmy und müssen unbedingt auch noch was singen, denn sie wollen ihr ganzes narzisstisches Repertoire entfalten. In einer Liste der besten Late-Nighter (Top 9) sah ich kürzlich auf Platz 9 Chelsea Lately, über die es hieß, sie »soll nicht unerwähnt bleiben«. Alles klar. Doch es gibt auch Gutes: Aktionen, die im Gedächtnis bleiben, brillante Witze, wunderbare Sketche. Aber ich schwöre, wenn ich noch einmal so eine Klassensprecherfresse als das neue hippe Ding, das das Fernsehen revolutionieren soll, angepriesen bekomme, flippe ich aus.

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