Emissionshandel in Bewegung

Die Steigerung des europäischen CO 2 -Tonnenpreises deutet noch nicht auf einen strukturellen Wandel zur klimafreundlichen Wirtschaft hin

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer verschmutzt, muss zahlen: Seit 13 Jahren soll der europäische Emissionshandel die Industrie dazu bewegen, sich von klimaschädlichen Technologien zu verabschieden. Für jede Tonne Kohlendioxid, die ein Unternehmen ausstoßen will, muss es ein Zertifikat kaufen. Am Dienstag hat die EU-Kommission Daten zum Stand des Emissionshandels im vergangenen Jahr veröffentlicht.

2017 brachte gegenüber den Vorjahren eine interessante Entwicklung: Der Preis für eine Tonne CO2 ist deutlich gestiegen und liegt jetzt bei etwa 13 Euro. Zuvor hatte er sich wegen eines riesigen Überangebots bei den Zertifikaten jahrelang um die fünf Euro eingependelt - der Versuch, beim Klimaschutz den Markt sprechen zu lassen, statt der Wirtschaft beispielsweise den Einsatz bestimmter Technologien schlicht zu verbieten, trug kaum Früchte.

Durch den geringen Preis gab es für viele Unternehmen nämlich einfach keinen Anreiz zur Modernisierung, sie zahlten lieber den Preis für die Verschmutzungsaktien. Auch der aktuelle Preis ist trotz der Verdreifachung noch nicht erfolgsversprechend: Klimaexperten gehen davon aus, dass 30 Euro pro Tonne CO2 nötig sind, um die nötigen Investitionen für Unternehmen lohnenswert zu machen.

Im vergangenen November haben sich die Gesetzgebung der EU auf eine Reform des Systems geeinigt. Vor allem geht es dabei um eines: die Zertifikatemenge zu senken und den Preis dadurch in die Höhe zu treiben. Nun ist geplant, doppelt so viele der Verschmutzungsrechte aus dem Handel zu nehmen, wie in einer früheren Reform vorgesehen, und diese in eine sogenannte Marktstabilitätsreserve zu verschieben.

Kraftwerke und Fabriken müssen zwischen 2021 und 2030 außerdem ihren CO2-Ausstoß EU-weit um 2,2 Prozent pro Jahr absenken - zuvor waren nur 1,74 Prozent geplant. Durch die Reform könnte der Preis für eine Tonne CO2 nach unterschiedlichen Schätzungen bei bis zu 25 Euro landen. Sprich: Die neuen Regeln könnten das System langsam in Richtung Wirksamkeit bringen, reichen aber wohl immer noch nicht aus.

Die aktuelle Preissteigerung hat nicht direkt etwas mit der Reform zu tun, die erst 2021 in Kraft treten soll. Das aktuelle Hoch sei eher dem »Wettbüro« an der Börse geschuldet, nicht einer bereits eingeleiteten nachhaltigen Trendwende, meint etwa der Umweltökonom Felix Mat-thes vom Öko-Institut.

Der Emissionshandel als Marktinstrument lässt Raum für Spekulationen mit den Aktien: Unternehmen versuchen sie zu kaufen, wenn sie möglichst günstig sind, teilweise sogar, zu viel erworbene Zertifikate zu teureren Zeiten wieder loszuwerden. Da eine gewisse Preissteigerung abzusehen ist, wird jetzt noch schnell verstärkt gekauft. Auch dass die Wirtschaft in der Eurozone zuletzt wieder stärker wächst, dürfte sich auf die Nachfrage auswirken.

Das Brüsseler Thinktank Carbon Market Watch geht davon aus, dass der Emissionshandel auch künftig nur richtig wirken kann, wenn Staaten unabhängig von der EU tätig werden - etwa indem sie einen eigenen CO2-Mindestpreis einführen. Auch Matthes hält einen solchen für überfällig. Dabei sollten dem Experten zufolge möglichst viele gleichgesinnte EU-Ländern an einem Strang ziehen. Der Experte denkt als Kerngruppe an Deutschland, Frankreich, Österreich, Dänemark und die Benelux-Staaten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirbt seit Amtsantritt für einen solchen Mindestpreis. Großbritannien erhebt schon seit 2013 einen eigenen CO2-Preis - mit Erfolg. Im April 2015 hatte die britische Regierung noch mal nachgelegt: Seitdem kostet der Ausstoß einer Tonne CO2 für Kraftwerksbeitreiber in Großbritannien etwa 25 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem regulären Zertifikatepreis im EU-Handel sowie einem gesetzlichen Sockel von umgerechnet etwa 20 Euro.

Die Maßnahme schlägt sich in der Klimabilanz Großbritanniens nieder: Während die Bundesregierung aus Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag das Klimaziel für 2020, das eine Minderung der Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht, für nicht mehr erreichbar erklärt, haben die Briten im vergangenen Jahr bereits 38 Prozent erreicht.

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