Spotify geht an die Börse

  • Hannes Breustedt, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

Spotify-Chef Daniel Ek ist ein Mann mit einer Mission. In seinen eigenen Worten klingt sie so: »Das Potenzial der menschlichen Kreativität erschließen, indem wir Millionen Künstlern die Möglichkeit geben, von ihrer Kunst zu leben, und Milliarden von Fans die Möglichkeit, zu genießen.« Eks Problem: Damit hat er bisher kein Geld verdient. Das könnte Anleger beim Börsengang abschrecken, der für Dienstag an der New York Stock Exchange geplant ist.

Spotify AB ist der klare Marktführer im Musik-Streaming, aber weit entfernt von einem profitablen Geschäftsmodell. Ende 2017 hatte das schwedische Unternehmen 71 Millionen zahlende Abokunden und 159 Millionen Nutzer insgesamt. Trotz rasantem Geschäftswachstums - der Umsatz kletterte im vergangenen Jahr um fast 39 Prozent - nahm der operative Verlust von 349 Millionen auf 378 Millionen Dollar zu. 2018 will Spotify die 200-Millionen-Nutzer-Marke knacken, rechnet aber mit einem operativen Minus von 230 bis 330 Millionen Dollar.

Um Anleger zu überzeugen, vergleicht sich Spotify gerne mit Netflix. Nicht zuletzt hat Firmenchef Ek mit Barry McCarthy einen Mann als Finanzchef an Bord geholt, der 2002 den heutigen Marktführer im Video-Streaming an die Börse brachte. Parallelen gibt es: Bevor Netflix zum Inbegriff einer neuen Fernsehkultur wurde, schrieb das Unternehmen auch lange Zeit rote Zahlen. Heute ist Netflix profitabel und an der Börse über 130 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Spotify trauen Analysten eine Bewertung von rund 20 Milliarden Dollar zu.

Ähnlich wie Netflix die TV-Welt revolutioniert, tut Spotify es mit der Musikbranche. »Wir haben einer rapide schrumpfenden Indus-trie wieder zu Wachstum verholfen«, meint Ek, der Spotify 2006 gründete. Dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied: Der Spotify-Boom füttert vor allem die Rechtebesitzer der Musik, die der Streaming-Dienst Kunden gegen Gebühren oder in einer Gratisversion mit Werbung anbietet. Während Netflix sich mit eigenen Inhalten zum Angstgegner von Unterhaltungsriesen wie Time Warner oder Disney aufbaute, ist Spotify also abhängig von den großen Labels wie Sony Music, Warner und Universal. Ek soll es zwar schon gelungen sein, niedrigere Lizenzgebühren für seine Angebote herauszuschlagen. Doch seine Verhandlungsposition ist überschaubar. Und anders als Netflix, das inzwischen jede Menge Inhalte exklusiv selbst produzieren lässt, hat Spotify bislang offenbar keine Pläne, den Plattenfirmen Konkurrenz durch eigene Musik zu machen.

Finanzchef McCarthy machte bei einer Präsentation kürzlich deutlich, dass höhere Gewinnspannen vor allem durch Erschließen anderer Umsatzquellen erreicht werden müssten. Dazu zählen Werbedeals oder der Verkauf von Daten. Bislang erzielt Spotify 90 Prozent seiner Erlöse mit kostenpflichtigen Abos. Doch Ek buhlt mit großen Versprechen um Anlegergeld. »Wir sind erst in der zweiten Runde dieses Spiels«, sagte der 35-Jährige vor Investoren.

Beim Börsenstart in New York setzt Spotify indes auf ein für Unternehmen in der Größenordnung ungewöhnliches Verfahren: den kostensparenden Weg einer Direktplatzierung. Spotify lässt sich zwar von Investmentbanken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley beraten, beauftragt sie aber nicht mit einer Aktienausgabe und dem dazugehörigen Preisbildungsverfahren. Das spart Geld, birgt aber auch das Risiko einer chaotischen und unberechenbaren Handelspremiere. dpa/nd

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