Showdown im Sicherheitsrat

Neue Vorwürfe Londons an Moskau im Fall Skripal

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun gab es auch die ersten Toten im Fall Skripal: Nach britischen Regierungsangaben vom Freitag sollen die Haustiere des vergifteten Ex-Doppelagenten - eine Katze und zwei Meerschweinchen - gestorben bzw. im Forschungszentrum Porton Down eingeschläfert worden sein. Das ist durchaus weniger Boulevard, als es scheinen mag. Hatte man sich doch in Moskau angesichts der Ungereimtheiten in dieser Affäre ernsthaft nach ihrem Verbleib erkundigt. »Warum hat die britische Seite das noch nicht angesprochen?«, wollte das russische Außenministeriums am Mittwoch wissen.

In London zeigt man sich weiter fest davon überzeugt, dass Sergej Skripal und seine Tochter Julia vor vier Wochen in ihrem Haus im englischen Salisbury mit dem einst in der UdSSR entwickelten Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden sind - und Moskau die dort vehement bestrittene Verantwortung für den Anschlag trägt. Diese Konstellation bestimmte am Donnerstag (Ortszeit) auch die von Russland beantragte Sitzung des Weltsicherheitsrates, wo die UN-Botschafter beider Staaten in einem verbalen Schlagabtausch aneinander gerieten. Wassili Nebensia warf London »absurdes Theater« und »schmutziges Spiel« vor. »Hätten Sie nicht eine bessere erfundene Geschichte präsentieren können?«, fragte der Diplomat sarkastisch und sprach von einem »Propaganda-Krieg«, um Russland »zu diskreditieren und zu delegitimisieren«. Dabei fiel auch der Name Goebbels.

Karen Pierce wiederum wollte sich »nicht in Sachen Moral oder Verantwortung von einem Land belehren lassen, das die angemessene Aufklärung von Chemiewaffen-Einsätzen in Syrien verhindern« wolle. »Wir haben nichts zu verstecken, aber ich fürchte, dass Russland etwas zu befürchten haben könnte.« Moskau pochte wegen der unklaren Beweislage erneut auf eine unabhängige Untersuchung, unter Beteiligung russische Ermittler. Das hatte zuvor schon die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) abgelehnt. Nebensia argumentierte im Sicherheitsrat, dass Russland schließlich »kein Patent auf Nowitschok« habe. Auch der deutsche C-Waffen-Experte Ralf Trapp, der u.a. als unabhängiger Berater für die OPCW arbeitet, verweist darauf, dass staatliche Labors in anderen Ländern, die sich vor Nowitschok schützen wollten und daher dazu geforscht hätten, den Kampfstoff theoretisch ebenfalls herstellen könnten. Wie die britische Forschungseinrichtung Porton Down, wo einst auch eigene Nervenkampfstoffe entwickelt wurden.

Angeblich haben britische Experten nun doch das russische Labor identifiziert, aus dem das Nervengift stammen soll, wie die »Times« am Freitag berichtete. Umgehend wies Moskau zurück, dass der Kampfstoff aus einer Anlage in Zentralrussland stamme. Die Standorte, an denen C-Waffen gelagert wurden, seien »wohlbekannt«; Schichani gehöre nicht dazu. Dagegen will Londons Botschafter in Deutschland, Sebastian Wood, wissen, dass die russische Regierung ein geheimes Programm des Nowitschok-Nervengiftes beibehalten habe.

Zuvor war ein britisches Militärlabor viel vager geblieben und hatte so die auch außerhalb Russlands geäußerten Zweifel an der Londoner Version gestützt. Zudem gerät auch der populistische Außenminister Boris Johnson mit seinen oft wirren Äußerungen ohne belastbare Fakten mehr und mehr in die Kritik. Labour-Chef Jeremy Corbyn warf ihm jetzt vor, entweder nicht all sein Wissen preiszugeben oder schlicht zu übertreiben. Seine Parteikollegin Diane Abbott nannte das »Irreführung der Öffentlichkeit«.

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