Samstags um halb vier

Protest gegen Montagsspiele: Mainzer und Freiburger Anhänger spielten schon mal vor

  • Frank Hellmann, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.

Was bitte sagt ein Trainer nach einer 4:9-Abreibung? Petr Ruman hatte sich entschieden, noch auf dem Rasen des ehrwürdigen Bruchwegstadions eine Generalabrechnung mit dem FSV Mainz 05 anzustellen. Die taktische Ausrichtung haben ebenso wenig gepasst wie die individuelle Qualität. »Auch Kaderzusammenstellung und Scouting müssen wir hinterfragen«, meinte der Ex-Profi - und konnte sich das Grinsen in der ehemaligen Bundesliga-Spielstätte nicht verkneifen. Alles also nur Spaß.

Der Nachwuchstrainer vom Nachbarn Darmstadt 98 hatte die Betreuung einer Mainzer Fanauswahl übernommen, die unter dem Motto »Samstag halb vier - Fußball, Bratwurst, Bier« mit einem Spaßspielchen gegen die Gesinnungsgenossen vom SC Freiburg ein kreatives Zeichen gegen das fünfte und letzte Montagsspiel dieser Bundesliga-Saison setzte. Für den 41-jährigen Ruman eine »super Aktion für ein wichtiges Thema«.

Am Montag um 20.30 Uhr wird in der Arena am Europakreisel das Abstiegsduell zwischen den Nullfünfern und dem Sportclub ausgetragen. Die Ansetzung enttarnt das Argument der Entlastung der Europa-League-Starter, haben die Kontrahenten damit genauso viel zu tun wie der FC Bayern mit dem Abstiegskampf. Rund 2000 Mainzer und 200 mitgereiste Freiburger schmetterten daher voller Inbrunst die Parole, die ihr vorgezogenes Zusammenkommen überwölbte: »Montagsspiele abschaffen!«

Die Idee dazu stammte von Jürgen Girtler von den Supporters Mainz. Der 59-Jährige hat schon in Oberligazeiten die Nullfünfer (»Ich sage immer, ich war schon gegen Gummi Mayer Landau dabei.«) begleitet. Weil er nur zehn Minuten Fußweg von der Arena entfernt wohne und keine Schichtarbeit habe, könne er den Kellerkrimi zwar besuchen, aber er habe viele Bekannte, denen sei das nicht möglich. »Kurz- und mittelfristig führen diesen Anstoßzeiten zu einem Zuschauerrückgang.«

Eine These, die der neue kaufmännische Mainzer Vorstand Jan Lehmann mit harten Zahlen unterfüttern kann: »Uns entstehen bei sechs angesetzten Heimspielen an Wochentagen - dreimal am Freitag, je einmal am Montag, Dienstag und Mittwoch - wirtschaftliche Nachteile.« Im Schnitt hätten die Rheinhessen fünf Prozent Zuschauer weniger als gegen die gleichen Gegner der vergangenen Saison. Und heute werden gar nur 23 000 Zuschauer erwartet: ein Alarmsignal eingedenk der sportlichen Bedeutung der Begegnung.

Als ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Fußball Liga (DFL) schrieb Lehmann nicht nur einen Brief, sondern bekam am Freitag im Frankfurter Westend noch einen Gesprächstermin mit dem zuständigen DFL-Direktor Ansgar Schwenken. Die Vereine versuchen sich gleichwohl in dieser Gemengelage an einem Spagat: Einerseits haben sie für einen Fernsehvertrag gestimmt, der nun bis 2021 unwiderruflich die neuen Ausweichtermine vorsieht, andererseits spüren sie, dass eine imaginäre Grenze überschritten wird.

Lehmann zeigte sich als Gast am Samstag froh, »dass der Protest auf diese konstruktive und kreative Weise ausgedrückt wird - und sich nicht gegen die eigene Mannschaft richtet. Die Anhänger haben hier etwas geschaffen, statt etwas kaputt zu machen.« Das passe zu Mainz 05: Man kann auch auf humoristische Art gegen etwas protestieren.

Unter allen Umständen wollte die Vereinsführung verhindern, dass es so läuft wie beim Montagsspiel Borussia Dortmund gegen FC Augsburg, wie Lehmann erklärte: »Die Fans sind massenweise zu Hause geblieben, es herrschte keine Stimmung und es kam ein schlechtes Spiel und Ergebnis heraus.« Für Girtler steht fest: »Wir können dieses System und die Ursachen nicht bekämpfen, aber wir können ein Zeichen setzen.« Er betrachtet die Mainzer Fanszene als »Seismograph« für die (Fan-)Stimmung im Lande, »weil wir mehr Familien und Frauen dabei haben«.

Ihn feierten die Anhänger im Nachgang übrigens genauso frenetisch wie die Spieler. Wohl auch, weil er Schauspieltalent bei einem vermeintlichen Videobeweis bewies, als ein aufs Feld geschobener Monitor unter Hohngesängen (»Ihr macht unseren Sport kaputt«) in einer Mülltonne verschwand. War also nebenbei geklärt, was der »Meenzer« von diesem technischen Hilfsmittel hält.

Hätten die fröhlichen Demonstranten noch auf die Schmähungen des in dieser Causa eher am Rande involvierten Deutschen Fußball-Bundes und das Zündeln von Pyrotechnik verzichtet, wäre alles noch glaubhafter ausgefallen. Was noch an weiteren Aktionen heute in der Arena angefügt wird, konnte (oder wollte) Girtler nicht sagen. Nur Ruman versprach vorsichtshalber: »Mainz 05 spielt 100 Prozent besser.« Ein 4:9 wäre dann schließlich ein schlechter Scherz.

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