Facebooks wunder Punkt

Für Enno Park muss der Konzern reguliert werden - und zwar dort, wo er sein Geld verdient: bei der Onlinewerbung

  • Enno Park
  • Lesedauer: 4 Min.

Zerschlagen, verstaatlichen, wenigstens streng regulieren: Wenn das Gespräch auf Facebook kommt, kursieren allerlei Rezepte. Die sind leider oft wenig durchdacht. Die Forderung, Facebook zu verstaatlichen, klingt nur auf den ersten Blick gut. Zwar würde Facebook so einer demokratischen Kontrolle unterworfen, aber nur so lange, wie besagter Staat auch eine Demokratie ist. Ein deutsches oder europäisches Staats-Facebook hieße, dass der Staat zum Datensammler würde. Er hätte direkten Zugriff auf sämtliche Postings und Nutzungsdaten. Er wüsste genau, wer mit wem kommuniziert und befreundet ist. Darüber hinaus bekäme der Staat auch noch Kontrolle über die Algorithmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Ein staatliches Soziales Netzwerk darf es aus den gleichen Gründen nicht geben, aus denen es auch keinen staatlichen Rundfunk gibt und Pressefreiheit herrscht.

Allerdings gäbe es da noch die Light-Variante zur Verstaatlichung: ein unabhängiges öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk, das aus Gebührengeldern finanziert würde. Das Problem: Soziale Netzwerke funktionieren nach den Prinzipien der Plattformökonomie. Alle gehen dorthin, wo alle anderen schon sind. Neue Konkurrenten haben so gut wie keine Chance, und das gälte auch für ein neu zu gründendes öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk. Damit sich dieses durchsetzen kann, müssten zugleich private Anbieter verboten werden - wie in Deutschland bis Anfang der 1980er Jahre das Privatfernsehen. Und das ginge wiederum nicht ohne tiefe Eingriffe in das Internet. Man müsste den Menschen die Nutzung von Facebook verbieten und die Seite hierzulande sperren, was stark der »Great Firewall« ähneln würde, mit der China sein Internet vom Rest der Welt abkoppelt und kontrolliert.

Bliebe die Zerschlagung: Zunächst könnten Dienste wie WhatsApp oder Instagram abgespalten werden. Das gäbe ihren Nutzern die Möglichkeit, sie unabhängig von Facebook zu nutzen. Facebook selbst behielte allerdings sein Quasimonopol und müsste ebenfalls in viele kleine Babybooks aufgeteilt werden. Damit das funktionieren kann, müsste ein entsprechender Datenstandard geschaffen und für verbindlich erklärt werden. Solche Standards gibt es etliche aus der Frühzeit des Internet, zum Beispiel E-Mail. E-Mails kommen bei allen anderen Nutzern an, egal bei welchem Anbieter sie ihre E-Mail-Adresse haben, weil alle Anbieter den gleichen Standard unterstützen. Ließe sich das auf soziale Netzwerke übertragen, bekämen Facebook-Konkurrenten wieder eine Chance. Für die Nutzer wäre es egal, ob sie und ihre Freunde bei Facebook, Bookface oder Eurobook sind. So ein Standard müsste aber international eingeführt werden und die USA müssten mitmachen. Politisch ein äußert dickes Brett, das da zu bohren wäre.

Bis es soweit ist, ließe sich noch auf Regulierung setzen, die allerdings äußerst vorsichtig angegangen werden sollte. Traditionell sind große Konzerne und Monopolisten gar nicht so abgeneigt, sich streng regulieren zu lassen. Sie lassen ihre Lobbyisten gerne an den Regeln mitschreiben, bis deren Einhaltung so aufwendig wird, dass kleine Konkurrenten nicht mehr ohne Weiteres mithalten können und vom Markt ferngehalten werden. Ein konkretes Beispiel: Derzeit fragen sich viele Blogger, wie sie nach Einführung der Datenschutzgrundverordnung ihr Blog weiterhin datenschutzkonform betreiben können. Für sie ist es mit viel Arbeit und juristischer Unsicherheit verbunden, all die neuen Regen zu verstehen und korrekt umzusetzen. Die Verlockung, in Zukunft auf Nummer sicher zu gehen und auf einer der großen Plattformen zu publizieren, kann da ziemlich groß werden. Und deren Macht und Monopolisierung wird dann nur noch stärker.

Häufig wird gefordert, dass Facebook seine Algorithmen offenlegen solle. Anders als bei Open-Source-Software wäre dadurch aber nichts gewonnen, da die Algorithmen nicht verändert werden können. Stattdessen hätten Verbreiter von Falschmeldungen noch leichteres Spiel, ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erzielen.

Lesen Sie auch: Enteignet Facebook! – Warum die Linke für ein öffentlich-rechtliches Internet streiten muss.

Sinnvoller wäre es, dort regulierend einzugreifen, wo die Plattformen ihr Geld verdienen: bei der Onlinewerbung. Regularien, die einschränken, welche Werbung erlaubt ist und anhand welcher Kriterien die Zielgruppen ausgewählt werden dürfen, könnten die Probleme rund um Facebook zumindest etwas verkleinern. Sie ließen sich auch schrittweise in einzelnen Ländern umsetzen.

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