nd-aktuell.de / 18.04.2018 / Sport / Seite 19

Protest, wohin man schaut

Mainzer Fußballer gewinnen gegen den SC Freiburg ein unnötiges Montagsspiel. Verlierer gibt es viele

Alexander Ludewig

In Mainz gab es am Montagabend viele Verlierer. In Hamburg dürfte der Ärger allerdings am größten gewesen sein. Durch den 2:0-Sieg der Gastgeber gegen den SC Freiburg wuchs der Rückstand des Vorletzten HSV auf den Relegationsplatz auf acht Punkte an. Unbeteiligt mussten die Hamburger zusehen, wie vier Spieltage vor Ende dieser Bundesligasaison der Abstieg wieder ein Stück wahrscheinlicher geworden ist.

Gerettet sind die Freiburger und der FSV Mainz auch noch nicht. Mit jeweils 30 Zählern stehen sie auf den Plätzen 16 und 15, hinter den punktgleichen Wolfsburgern. Doch allein diese Konstellation dürfte den beiden Klubs und deren Fans etwas Genugtuung verschaffen, Mut machen und weiteren Antrieb geben. Denn der VfL Wolfsburg gehört mit einem Etat von 80 Millionen Euro eigentlich in die Champions League. Der Hamburger SV sollte ein Anwärter auf die Europa League sein: Ohne eingerechnete, aber wahrscheinliche Extrazahlungen von Investor Klaus-Michael Kühne kann der Klub mit 55 Millionen Euro planen - rund 20 Millionen mehr als die Verantwortlichen in Mainz und Freiburg zur Verfügung haben.

Während die Abstiegsnot in Wolfsburg und Hamburg durch menschliches Versagen verursacht wird, ist der Kampf um den Klassenerhalt in Mainz und Freiburg das einzig realistische Saisonziel. Mit Kreativität, etwas Glück und reichlich guter Arbeit haben es beide Klubs sogar schon in den Europapokal geschafft.

Aktuell spielen weder der FSV noch der SC international. Deshalb regte sich neben den Fanprotesten auch Widerstand auf Klubebene gegen die Ansetzung. Weil sich Mainz ebenfalls als Verlierer dieses Montagsspiels sieht, schrieb der Klub schon im März einen offenen Brief an die Deutsche Fußball Liga (DFL). »Für uns als Verein entsteht durch die geringere Zuschauerzahl an Spielen unter der Woche ein wirtschaftlicher Nachteil«, hieß es.

Fast 8000 Plätze blieben im Mainzer Stadion am Montagabend leer. Ein großer Boykott, wie der von rund 25 000 Dortmunder Anhängern beim Montagsspiel des BVB Ende Februar gegen Augsburg, war das nicht. Und die Frage, wie viele Fans aus Protest nicht zuschauen wollten oder ob der unfreundlichen Anstoßzeit einfach nicht konnten, lässt sich hier nicht beantworten. Fest steht aber, dass alle Proteste in Mainz berechtigt waren: die großen Aufsteller am Spielfeldrand, deren Abtransport den Anpfiff um fünf Minuten verzögerten und unzählige Klopapierrollen auf dem Rasen, die die zweite Halbzeit erst eine Viertelstunde später beginnen lassen konnten. Selbst beim Schlussjubel über die drei so wichtigen Punkte hielten die Mainzer Fans noch ihre Plakate hoch: »Gegen Montagsspiele«.

Berechtigt waren die Proteste, weil die DFL mit dieser Partie erneut ihr Gesicht verloren hat. Die fünf Montagsspiele pro Saison seien eingeführt worden, um die europäisch spielenden Klubs zu entlasten. Warum spielte dann Leipzig schon am Sonntag und nicht an diesem Montag? RB hatte eine aufwendige Reise und ein kräftezehrendes Spiel am Donnerstag in Marseille hinter sich. Am 26. Spieltag trafen sich Werder Bremen und der 1. FC Köln zum Montagsspiel. Warum mussten Leipzig und Dortmund nach ihren Auftritten in der Europa League damals auch schon am Sonntag in der Bundesliga spielen?

Eine Antwort hat Jürgen Girtler parat: »Es geht nur um Profimaximierung.« Der 59-Jährige ist ein langjähriger FSV-Fan, gehört zu den »Supporter Mainz« und hatte einen besonderen Protest organisiert. Unter dem Motto »Samstags halb vier - Fußball, Bratwurst, Bier« spielten am vergangenen Sonnabend zwei Fanmannschaften aus Mainz und Freiburg. 3000 Zuschauer kamen dafür ins alte Bruchwegstadion. »Wir müssen wieder zu familien- und fanfreundlichen Anstoßzeiten zurückkommen«, meint Girtler.

Tausende Fans in Deutschland teilen Girtlers Meinung. Und machten dies mit starken Protesten deutlich. Deshalb hinterfragen auch Klubvertreter die Regelung, fünf Montagsspiele pro Saison auszutragen. Wie Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler: »Wenn die Fans das ablehnen, muss man diese Entscheidung neu überdenken.« Auch Hannovers Sportdirektor Horst Heldt »fände es gut, wenn wir die Zerteilung eines Spieltags überdenken. Sonst verliert der Fußball seine Basis.«

Die DFL hält weiter dagegen. Die Entscheidung für die Montagsspiele sei einstimmig getroffen worden. Das stimmt. Auch der FSV bestätigt das: »Mainz 05 hat, wie alle anderen Bundesligisten, der Einführung der Montagsspiele zugestimmt«, steht in dem offenen Brieg an die DFL. Aber: »Voraussetzung dafür war die nachvollziehbare Argumentation, den Teilnehmern an der Europa League mehr Regenerationszeit zu verschaffen.«

Ganz offensichtlich ist dies aber kein Kriterium für die Ansetzung der Partien. Im Vordergrund dürfte stattdessen der finanzielle Aspekt stehen. Eingeführt wurden die Montagsspiele mit den neuen Fernsehverträgen, die den Bundesligisten seit dieser Spielzeit Rekordeinnahmen bescheren - mehr als eine Milliarde Euro pro Saison. Die Verträge laufen bis 2021. Und genau so lange wird es die Montagsspiele geben. Da lässt DFL-Geschäftsführer Christian Seifert keine Zweifel aufkommen und behauptet dreist: »Es geht dabei 0,0 um Kommerz.«

Daran zweifelt nicht nur Jürgen Girtler: »Die DFL unterwirft sich immer mehr dem TV-Markt.« Einer der wenigen Sieger gibt ihm unumwunden Recht. »Die neuen Ansetzungen sind für uns ein Erfolg und erzielen Top-Abrufzahlen«, berichtet Timo Ditschkowski. Er ist Sprecher des Senders Eurosport, der die Montagsspiele gegen Bezahlung überträgt.