Nazi-Konzerte als Geschäftsmodell

Zahl der Rechtsrock-Veranstaltungen im vergangenen Jahr gestiegen / Szene setzt zunehmend auf Professionalisierung

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Im vergangenen Jahr fanden bundesweit 289 Rechtsrock-Konzerte statt. Das sind 66 mehr als 2016, wie aus einer Anfrage des LINKE-Bundestagsabgeordneten André Hahn hervorgeht. Den größten Zuwachs gab es demnach in Thüringen und Sachsen. Zentrale Gründe sind die Professionalisierung im Rechtsrock und der Rückzug der Neonazi-Szene in subkulturelle Milieus.

Die Zeiten, in denen Neonazis gebrannte CDs mit schlecht kopierten Covern von Bands wie »Macht & Ehre« oder »Screwdriver« austauschten, sind längst vorbei. Heute ist Rechtsrock vor allem ein Geschäftsmodell. Wenn sich am Wochenende tausende Neonazis im sächsischen Ostritz zum »Schild und Schwert« Festival treffen, dann wird es auch eine neue Scheibe der Dortmunder Nazi-Band »Oidoxie« geben. Das hat der langjährige Nazi-Kader und Veranstalter des Festivals, Thorsten Heise, vor wenigen Tagen in einer Videobotschaft versprochen. In seiner Ankündigung spricht Heise von exklusivem Merchandise zur Premiere in Ostritz. Ein T-Shirt soll es geben und eine spezielle Edition des Albums in einer Holzbox. Dinge, die auch aus der normalen Popmusik bekannt sind.

Stefan Heerdegen von »Mobit«, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen, sieht drei zentrale Gründe für die hohe Zahl der Konzerte im Freistaat. »Thüringen liegt zentral, es gibt hier erfahrene Veranstalter und zahlreiche Immobilien in der Hand von Neonazis«, so Heerdegen gegenüber »nd«.

In thüringischen Themar fand im Juli 2017 auch eines der größten Rechtsrock-Konzerte in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Bis zu 6.000 Neonazis fanden sich beim »Rock gegen Überfremdung« ein, um Szenegrößen wie dem ehemaligen Landser Sänger Michael »Lunikoff« Regener, Stahlgewitter oder Sleipnir zu lauschen. Der Gewinn aus den Einnahmen des Konzertes beläuft sich nach Schätzungen der Rechercheplattform »Thüringen rechtsaußen« auf 100.000 bis 200.000 Euro, je nachdem wie hoch die Kosten für Technik, Helfer und Gagen waren. Rechtsrock ist heute ein lukratives Geschäft. Neonazis wie Thorsten Heise, der einen Versand und ein Label betreibt, Tommy Frenck, der einen Gasthof und einen Versand betreibt oder Patrick Schröder leben nicht schlecht vom Business mit der Nazi-Musik.

Dass die Zahl der Rechtsrock-Konzerte zunimmt, ist allerdings kein Wunder. Mit dem Erfolg von AfD, Wutbürgern und Pegida erlebt die alteingesessene Neonaziszene einen Bedeutungsverlust. Bei ihren Aufmärschen können sie kaum mehr fordern als dies sich bürgerlich gebende Gruppen bereits tun. Auf der Straße und in den Parlamenten haben andere rechte Initiativen und die AfD den Führungsanspruch übernommen. Den Nazis bleibt nur noch die Flucht in subkulturelle Milieus, in denen sie ungehindert den Nationalsozialismus beschwören und Jugendliche an ihre Bewegung heranführen können.

Das machen sie allerdings mit zunehmenden Erfolg und einer wachsenden Ausdifferenzierung. Rechtsrock ist heute weitaus mehr als noch vor einigen Jahren. Es gibt Nazi-Rapper genauso, wie Gothics oder Rocker. Hinzu kommen neonazistische Angebote für Fußballfans oder Kampfsportler. Der Staat und zivilgesellschaftliche Initiativen sind dagegen weitgehend machtlos, da die Rechten sich eine eigene Infrastruktur aufgebaut haben. Vom Konzertgelände bis zum Catering können die Nazis für fast alles alleine sorgen.

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