Facebook wirbt jetzt mit Datenschutz

Vor Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung will das soziale Netzwerk mehr Datenschutz anbieten

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Menlo Park. Angesichts des Skandals um den millionenfachen Missbrauch von Nutzerdaten will Facebook den Datenschutz verbessern. Diese Woche werde Facebook damit beginnen, die neue EU-Gesetzgebung zum Datenschutz für alle Nutzer umzusetzen, kündigte der Konzern am Mittwoch an. »Jeder - egal, wo er lebt - wird aufgefordert werden zu überprüfen, wie Facebook seine Daten nutzt«, erklärte das Unternehmen. Demnach können Facebook-Nutzer künftig auch wählen, welche Werbung sie angezeigt bekommen wollen. Laut Ankündigung sollen Nutzer in Zukunft auch ausdrücklich gefragt werden, ob für sie Werbung auch auf Basis von Daten anderer Firmen personalisiert werden soll. Zudem sollen die Nutzer nochmals darüber entscheiden, ob sie ihre politischen und religiösen Haltungen auf ihrem Profil teilen.

Facebook war zuletzt aufgrund des Datenmissbrauchs in die schwerste Krise seiner 14-jährigen Geschichte gestürzt. Die Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern waren bei der britischen Firma Cambridge Analytica gelandet und sollen unerlaubt für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump ausgeschlachtet worden sein. In den USA muss sich das Unternehmen zudem einer Sammelklage von Nutzern stellen, die sich durch die automatische Gesichtserkennung in ihrer Privatsphäre verletzt sehen. Die Funktion war in der EU bereits 2012 aus Datenschutzgründen abgeschaltet worden.

Gesichtserkennung kommt zurück

Mit dem Inkrafttreten der Datenschutzverordnung am 25. Mai wird Facebook nun aber auch in Europa nach Jahren die Gesichtserkennungs-Funktion zurückbringen, bei der Nutzer in Fotos automatisch markiert werden können. Facebook hatte die Gesichtserkennung in Europa zunächst im Sommer 2011 freigeschaltet, stieß dabei aber auf den Widerstand europäischer Datenschützer. Deshalb stoppte der Konzern die Funktion und verpflichtete sich im Herbst 2012, die dabei erzeugten Daten wieder zu löschen.

Jetzt soll die Gesichtserkennung erst nach ausdrücklicher Zustimmung der Nutzer eingeschaltet werden. Dass sie zurückkommen soll, hatte Facebook bereits im März angekündigt. Als Vorteil für die Nutzer führt Facebook auch an, dass sie benachrichtigt werden können, wenn jemand ohne ihr Wissen ein Foto von ihnen bei Facebook hochlädt. Die Gesichtserkennung ist in Europa zunächst nur für die Facebook-Plattform verfügbar, nicht für die ebenfalls zum Konzern gehörenden Fotodienst Instagram und den Messenger WhatsApp. Für Nutzer im Alter unter 18 Jahren bleibt die Gesichtserkennung grundsätzlich ausgeschaltet.

In den vergangenen Wochen hatte Facebook im Umsetzung der Datenschutzverordnung bereits unter anderem die Verwaltung und das Herunterladen von Daten vereinfacht. In den letzten Tagen wurde Nutzern auch zu Beginn ihres Facebook-Feeds eine Überprüfung der Einstellungen zu Online-Apps angeboten. Im Fall Cambridge Analytica hatte eine Persönlichkeits-App Profildaten ausgelesen. In der Vergangenheit hatte Facebook den Datenzugriff von Apps externer Entwickler immer weiter eingeschränkt und will diese in Zukunft stärker kontrollieren.

Facebook wirbt jetzt mit Datenschutz

Das Online-Netzwerk hatte bereits am Montag in ganzseitigen Werbeanzeigen in überregionalen Tageszeitungen in mehreren europäischen Ländern für die Datenschutz-Grundverordnung geworben, die am 25. Mai in Kraft tritt. Sie macht Internet-Firmen europaweit gültige Vorgaben für die Speicherung und den Schutz von Daten - und macht es Nutzern leichter, gegen Missbrauch vorzugehen.

Der Medienjournalist Richard Gutjahr kritisierte die Zeitungsanzeigen von Facebook auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Es sei »schräg«, dass das Unternehmen, welches »über Jahre mit viel Geld und Lobbyeinfluss« in Berlin und Brüssel gegen die Datenschutz-Grundverordnung gekämpft habe nun mit dem Gesetz werbe.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte die europäische Datenschutz-Grundverordnung zuletzt bereits bei einer Anhörung vor dem US-Kongress ausdrücklich begrüßt. »Ich denke, es ist die richtige Regulierung«, sagte er. Die Europäer hätten »die Dinge richtig gemacht«.

Der Konzern bekräftigte am Mittwoch auch, dass die von der Grundverordnung vorgeschriebenen Datenschutz-Werkzeuge für Nutzer weltweit verfügbar sein werden. Sie könnten aber etwas später oder in etwas abgewandelter Form eingeführt werden, hieß es.

Am Freitag soll einem Medienbericht zufolge der Facebook-Cheflobbyist Joel Kaplan vor Mitgliedern des Rechts- und Digitalausschusses im Bundestag Rede und Antwort stehen. Das berichtete das »Handelsblatt« unter Berufung auf informierte Kreise. Es soll demnach um die Frage gehen, wie es zu dem riesigen Datenleck bei dem Netzwerk kommen konnte. Agenturen/nd

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