Eisenach zittert - nicht zum letzten Mal

Die angeblichen Stellenabbaupläne für das Westthüringer Opel-Werk sorgen für Unsicherheit und Verärgerung

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Kaum waren die ersten Meldungen in der Welt, dass es im Opel-Werk in Eisenach einen massiven Stellenabbau geben könnte, waren die zwei Gefühle wieder da, die viele Menschen in der Region um die westthüringische Stadt nur allzu gut kennen: Unsicherheit und Angst. Denn gerade in der klein- und kleistteiligen Wirtschaft des Freistaats hat das Werk des deutschen Autobauers, der seit Mitte 2017 zum französischen Konzern PSA gehört, eine herausragende Bedeutung: Mag man in vielen alten Bundesländern Unternehmen mit etwa 1800 Arbeitsplätzen als Mittelständler sehen - für Thüringer Verhältnisse ist das Opel-Werk ein riesiger Arbeitgeber; einer, an dem tausende weitere Arbeitsplätze der Zulieferindustrie rund um Eisenach hängen. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen in Thüringen haben weniger als 25 Beschäftigte.

Die Vorstellung, dass von den derzeit etwa 1800 Arbeitsplätzen im Opel-Werk bald nur noch etwa 1000 übrig bleiben könnten, wie es am Mittwoch aus Gewerkschaftskreisen hieß, ist deshalb eine Horrorvision für Thüringen insgesamt. Und natürlich für die Betroffenen, wie bei einer Betriebsversammlung am Donnerstagnachmittag deutlich wurde, die parallel zu ähnlichen Veranstaltungen in den Opel-Werken Rüsselsheim und Kaiserslautern stattfand.

Auch die Thüringer Landespolitik reagierte geschockt auf die ersten Meldungen - ließ aber gleichzeitig erkennen, dass niemand etwas in der Hand hat, um über die Zukunft des Werkes maßgeblich mitbestimmen zu können. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) blieb nichts anderes übrig, als seinem Ärger über das mutmaßliche neue PSA-Konzept für Eisenach Luft zu machen: »Sollten sich diese Pläne bestätigen, wäre das ein eklatanter Bruch aller Absprachen und Verträge«, ließ er mitteilen. Er erwarte Investitionen in das Werk, die die aktuelle Auslastung erhielten und über das Jahr 2020 hinaus sicherten. »Das bedeutet die Produktion von mindestens zwei Fahrzeugen am Standort, weil ansonsten massiver Personalabbau drohen würde.« Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) nannte die Pläne »keine guten Nachrichten«. »Denn wenn es so kommt, dann hat PSA den Tarifvertrag zur Standortsicherung zerstört«, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Gleichzeitig kündigten die Landtagsfraktionen von Linkspartei und SPD an, sie wollten die Situation bei Opel zum Thema der Landtagssitzung kommende Woche machen. Auch da darf man wieder jede Menge solidarische Worte erwarten.

Allerdings darf diese Entrüstung über die mutmaßlichen Pläne von PSA, die das Management der Konzerntochter Opel bislang nicht öffentlich kommentiert hat, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Region um Eisenach langfristig auf jeden Fall ein großes Problem hat. Das ist in der Thüringer Wirtschaft ein offenes Geheimnis ist. Freilich auch wegen Opel und weil so viel der lokalen Wirtschaftsstruktur auf den Autobauer und seine dort produzierten Modelle zugeschnitten ist - die einen Verbrennungsmotor haben. Sollte in den nächsten Jahren tatsächlich die große Wende hin zur Elektromobilität kommen, stehen ganz sicher viele Stellen im Opel-Werk der Wartburgstadt vor dem Abbau. Autos mit Elektromotor brauchen viel weniger und ganze andere Teile als Autos, die von Benzin oder Diesel angetrieben werden. Daher steht auch das Geschäftsmodell vieler Zulieferer in der Region vor dem Aus, wenn diese sich nicht völlig neu aufstellen und neu erfinden.

Mancher Wirtschaftslobbyist sieht in der aktuellen Opel-Krise deshalb sogar eine Chance für den westthüringischen Raum. Die neuerliche Angst und Unsicherheit, sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, könnte die Einsicht befördern, dass die Region weg muss von der übermäßigen Abhängigkeit von Opel.

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