Ausfallstunden werden Thema im Wahlkampf

Hessens Schülerrat legte »schockierende« Zahlen vor

  • Hans Gerd-Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Sechs Monate vor der Landtagswahl wird in Hessen zunehmend die Schulpolitik zum öffentlichen Thema. Während für Kultusminister Alexander Lorz (CDU) der Unterrichtsausfall kein brennendes Thema darstellt, weil er »im Regelfall« nicht vorkomme, macht die Landesschülervertretung (LSV) eine andere Rechnung auf und stützt sich auf eine landesweite Umfrage. In einer stichprobenartigen Untersuchung wurden demnach alle Schülervertretungen im Land gebeten, eine Fotokopie des Vertretungsplans vom 11. April zur Abdeckung des Unterrichtsausfalls an die LSV zu schicken. Rückmeldungen kamen aus 97 Schulen.

Für diesen zufällig ausgewählten Mittwoch war das Ergebnis der Auswertung aus LSV-Sicht »schockierend«. Demnach fielen allein an den teilnehmenden Schulen 1605 Stunden aus. Gleichzeitig konnten nur 1547 ausgefallene Stunden vertreten werden.

»Wir haben eine hohe Zahl erwartet, aber diese Zahlen sind jenseits jeder Erwartung«, kommentierte Landesschulsprecher Fabian Pflume das Ergebnis. »Würde man die Stunden auf alle 996 weiterführenden Schulen Hessens hochrechnen, so käme man auf 16 480 ausfallende Schulstunden. Diese Zahl ist schlichtweg erschlagend.«

Pflume und die LSV sehen nun akuten Handlungsbedarf. Gerade mit Blick auf die steigenden Schülerzahlen müssten die Lehrerausbildungskapazitäten massiv erhöht und die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert werden, so ihre Forderung. Zuallererst dürfe die schwarz-grüne Landesregierung nicht weiter die Augen vor den Tatsachen verschließen, so der Landesschulsprecher. »Das Nicht-Erheben von Daten und Taschenspielertricks helfen niemandem«, so seine Überzeugung.

Bei Minister Lorz beißen die LSV-Aktivisten aber weiter auf Granit. Ein Ministeriumssprecher bezeichnete die Umfrage als »nicht repräsentativ«, weil sie sich nur auf »bestimmte Schulen« stütze. »Dem müssen wir deutlich widersprechen«, so Pflume unter Verweis auf die Vertretungspläne. »In Hessen fällt täglich Unterricht aus.« Nach LSV-Angaben komme Unterrichtsausfall in allen Jahrgangsstufen und in weiterführenden Schulen aller Schulamtsbezirke des Landes vor. Zudem stimmten bei einer LSV-Umfrage unter 50 000 Schülern nur 23,4 Prozent der Befragten der Aussage »Mein Vertretungsunterricht ist so gestaltet, dass ich etwas lerne« zu.

Minister Lorz hatte jüngst auf eine parlamentarische Anfrage der oppositionellen SPD-Fraktion geantwortet, Unterrichtsausfall komme nur »in Einzelfällen aufgrund externer Effekte« etwa bei einer hohen Zahl von Grippeerkrankungen vor. Eine genaue Erhebung sei derzeit nicht möglich, weil dies die Schulleitungen »zusätzlich zu ihren Belastungen weiteren Belastungen aussetzen« würde, so der Minister.

Für den SPD-Landtagsabgeordneten Christoph Degen ist diese Begründung eine »Lachnummer«. Das Kultusministerium verfüge über die Zahlen, sei aber nicht bereit, sie zu veröffentlichen, so seine Überzeugung.

Unterstützung für die LSV kommt auch aus der Linksfraktion. »Die Auswertungen untermauern, was Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler schon seit längerer Zeit an uns herantragen«, so die Abgeordnete Gabi Faulhaber. Minister Lorz sage, er habe angeblich keinen Überblick über die Überlastung der Lehrkräfte und Schulleitungen, die Krankheitstage und die Frage, ob Unterricht stattfinde oder nicht. Entweder belüge er damit die Öffentlichkeit oder sei tatsächlich ahnungslos. So oder so sei Lorz als Minister »nicht länger tragbar«, ist Faulhaber überzeugt.

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