Verlierer sind die Niedriglöhner

Die hiesige Industrie profitiert vom Digitalen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 2 Min.

Künstliche Intelligenz, der neue Mobilfunkstandard 5G oder »Digital Factory« - auf der Hannover Messe wird die Welt der Arbeit neu vermessen. »Maschinen und Anlagen sind der Motor von Indus- trie 4.0, die Software ist das Gehirn und die Intralogistik ist der Blutkreislauf im Produktionssystem«, schwärmt der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Carl Martin Welcker. Angesichts vieler Auftragseingänge erhöhte Europas größter Industrieverband seine Produktionsprognose von bisher real plus drei auf plus fünf Prozent - und die Maschinenbauer suchen händeringend Arbeitskräfte. »Der Fachkräftebedarf droht immer mehr zu einer Wachstumsbremse zu werden.«

Nun erlebt die deutsche Wirtschaft das neunte Wachstumsjahr in Folge - und die Konjunktur wird nicht ewig so günstig laufen. Dennoch sind Arbeitsmarktforscher verhalten optimistisch. Dafür sind zwei Trends verantwortlich. So dürfte die Globalisierung und damit die Abwanderung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer ihren Zenit überschritten haben. »Der Trend zur Globalisierung von Wertschöpfungsketten scheint auszulaufen«, analysiert das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut.

Gerade die Digitalisierung der Wirtschaft ist dafür ein Grund. So könnte die 3D-Drucktechnologie die Warenströme vollkommen verändern - eine preiswerte Produktion ist dann auch in Hochlohnländern möglich. Waren müssten nicht mehr über den halben Erdball transportiert werden. Was ökologische Chancen bietet, aber Ländern wie China oder Thailand Sorgen bereitet.

Ein zweiter Trend ist die »Verdienstleistung«. Haushaltnahe Dienstleistungen wie Pflege werden in »alternden« Gesellschaften wichtiger. Insgesamt nimmt die Bedeutung der Industrie in allen Industriestaaten ab. Und auch in manchen Schwellenländern. Damit werden auch die Auswirkungen der Digitalisierung geringer.

Selbst in der Industrie nimmt den Anteil der Dienstleistungen zu: ThyssenKrupp oder Siemens stellen zwar weiter Rolltreppen oder Windräder her, doch das eigentliche Geschäft beginnt danach: Service, Wartung und Reparatur. Deswegen dürfte der Bedarf an Facharbeitern hoch bleiben.

Was im Hype über die vernetzte Fabrik oder »Predictive Maintenance« (den Einbau von Ersatzteilen, bevor Maschinen ausfallen) untergeht: Die Wirtschaft fängt nirgends bei null an. Längst werden etwa Schiffe - mit die kompliziertesten Industrieprodukte - bis zum letzten Kabelschacht am Computer konstruiert. Und selbst der Mittelstand erwirtschaftet bereits ein Drittel seines Umsatzes mit Industrie-4.0-Produkten, zeigt eine am Montag veröffentliche Umfrage von E&Y.

Die Digitalisierung wird auch Verlierer schaffen. Vor allem Geringqualifizierte werden sich schwer tun. Ein Teil wird durch neue Jobs wie Paketdienste aufgefangen werden. Vor allem aber müssen mehr Menschen - und das nicht nur in Deutschland - eine bessere Ausbildung erhalten.

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