nd-aktuell.de / 04.05.2018 / Politik / Seite 16

Nur die Lehrer sind enttäuscht

Kurz vor Toresschluss konnte in Dänemark eine Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst gefunden werden. Streiks sind damit abgewendet

Andreas Knudsen, Kopenhagen

Es war sechs Minuten vor zwölf und nicht die berühmten fünf, als es in Dänemark Gewerkschaften und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst gelang, neue Tarifvereinbarungen bis zum Jahr 2021 abzuschließen. Fünf Monate lang dauerten die Verhandlungen für die Beschäftigten im Staat, in den fünf Regionen sowie den 98 Kommunen, und erst einen Tag vor dem ultimativen Ende der Verhandlungen beim Schlichter konnten die letzten Unterschriften gesetzt werden. Damit wurde eine große Streikwelle im öffentlichen Dienst in letzter Minute abgewendet. Die Arbeitgeber hatten angedroht, mehr als die Hälfte der 725 000 Beschäftigten auszusperren. Dies hätte Konsequenzen auch für die private Wirtschaft gehabt, da der öffentliche Nahverkehr, Schulen und der größte Teil der Verwaltung lahmgelegt worden wären.

Grund der zähen Verhandlungen war weniger die Lohnforderung der Gewerkschaften - mit durchschnittlich 8,1 Prozent mehr Gehalt über drei Jahre setzten sie ihre Vorstellungen bis auf wenige Promille durch -, sondern die geforderte Anerkennung der Mittagspause als Teil der bezahlten Arbeitszeit sowie die Neuregelung der Arbeitszeit der Volksschullehrer.

Aufgrund der Struktur des dänischen öffentlichen Dienstes werden Tarifverhandlungen in drei parallelen Spuren geführt. Normalerweise schließen die staatlich Beschäftigten zuerst ab und setzen den Standard für die Regionen, die das Gesundheitswesen verwalten, und die kommunalen Angestellten. Die bezahlte Mittagspause war das entscheidende Sonderanliegen für die Staatsbeschäftigen. Diese wurde bisher gewohnheitsmäßig gewährt, ist jedoch in den wenigsten Fällen in Vereinbarungen festgeschrieben. Die Arbeitgeber wollten dieses Gewohnheitsrecht abschaffen, was die wöchentliche Arbeitszeit von 37 auf 39,5 Stunden erhöht hätte.

Die Arbeitszeit der Lehrer wird auf kommunaler Ebene verhandelt. 2013 hatte der dänische Städtetag gegen erbitterten Widerstand per Gesetz erzwungen, dass die Schulleitungen über die Verteilung von Unterrichts-, Vorbereitungs- und Verwaltungszeit bestimmen und das bis dato geltende Modell der Selbstverwaltung abgeschafft wird. Lehrer müssen seither mehr Stunden unterrichten. Diese Festlegung sollte gekippt werden.

Um diese Nüsse zu knacken, vereinbarten die beteiligten Gewerkschaften, so lange gemeinsam zu verhandeln und notfalls zu streiken, bis beide Ziele erreicht sind. In der Presse erhielt die Übereinkunft frei nach Alexandre Dumas den Namen »Musketiereid«, der letztlich nicht ganz zum Ziel führte, aber doch mit einem akzeptablen Kompromiss endete.

Um Streiks und Aussperrungen zu vermeiden, mussten drei Abschlüsse spätestens am Vorabend des 1. Mai unterschrieben sein. Dies gelang nur, weil einer der Gewerkschaftsbünde den Eid brach, eine Vereinbarung unterschrieb und den Weg freimachte für weitere Kompromisse. »Ich konnte es nicht länger gegenüber meinen Mitgliedern verantworten, dass Sonderforderungen gute Gehaltssteigerungen, Mittel für die Qualifizierung und mehr Stellen blockieren sollten«, erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft FOA, Dennis Kristensen, der Öffentlichkeit.

Zunächst als Verräter geschmäht, zeigte es sich, dass er damit den Durchbruch ermöglicht hatte. Gegen wenige Abstriche bei den Gehaltszuwächsen wurde die bezahlte Mittagspause festgeschrieben, während die Verhandlungsführer des Gesundheitsbereichs entschieden, den mündlichen Versicherungen der Arbeitgeber zu vertrauen. Grete Christensen, Vorsitzende des dänischen Krankenpflegerrates, beeilte sich denn auch, die Vereinbarungen der Öffentlichkeit mitzuteilen. Da die Arbeitgeber nicht widersprachen, liegt entsprechend dänischer Rechtstradition hier ein mündlicher Vertrag vor, der notfalls vor Gericht eingeklagt werden kann.

Trotz Gehaltssteigerungen und Verbesserungen bei Urlaub und Freistellungen musste der Lehrerverband konstatieren, der einzige Verlierer zu sein. Die umkämpfte Arbeitszeitregelung bleibt bestehen, es wurde lediglich beschlossen, eine Kommission einzusetzen, die zur nächsten Verhandlungsrunde eine Untersuchung des Für und Wider des alten wie des geltenden Modells vorlegen soll. Mit zum Bild gehört aber auch, dass viele Bestimmungen bereits lokal modifiziert worden sind.

Ein unbestreitbarer Sieg der Gewerkschaften ist es, dass die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst in etwa symmetrisch zur Lohnentwicklung in der privaten Wirtschaft steigen. In den kommenden Wochen müssen nun alle drei Abschlüsse noch auf Arbeitgeberkongressen und durch Urabstimmungen der Gewerkschaftsmitglieder bestätigt werden. Die Annahme gilt als wahrscheinlich, da mit Mehrheit entschieden wird. Selbst wenn die Lehrer mit Nein stimmen sollten, müssen sie sich den anderen Verbänden beugen.