• Berlin
  • Hochhaus an der Warschauer Straße

Der Höhepunkt von Mediaspree

Fast 140 Meter soll das Hochhaus an der Warschauer Brücke einmal messen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir möchten kein Straßenbegleitgrün, sondern einen Wald an den Fassadennischen«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) am Montagnachmittag beim Berliner Baukollegium. Soeben haben die niederländischen Immobilieninvestoren von OVG Real Estate und deren dänischer Architekt David Zahle vom Büro Bjarke Ingels Group (BIG) ihr Hochhausprojekt an der Warschauer Brücke vorgestellt. Knapp 140 Meter soll der 36-Geschosser hoch werden. Rund 5000 Büroarbeitsplätze soll es fassen.

Er wird eine Dominante der hauptstädtischen Skyline, denn bisher ist das Allianz-Hochhaus in Treptow mit 125 Metern das höchste, gefolgt vom Park-Inn-Hotel am Alexanderplatz, dem Steglitzer Kreisel und den Neubauten in der City West. Dem Architekten ist das durchaus bewusst. »Sehr wichtig« sowohl für die Gesamtstadt als auch die direkte Umgebung sei der Bau, sagt Zahle bei der Präsentation.

Tatsächlich hatte Franz Schulz (Grüne), ehemaliger Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeister und Baustadtrat, die einstigen Grundstückseigner auf ein maximal 100 Meter messendes Hochhaus heruntergehandelt, erinnert Lothar Jösting-Schüßler, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). »Aber der neue Eigentümer will davon nichts mehr wissen und wir haben keine Handhabe«, so Jösting-Schüßler. »Es ist Konsens in der Zählgemeinschaft mit SPD und Grünen, dass es alles andere als schön ist, was auf dem Mediaspree-Gelände passiert.«

Dass der noch namenlose Turm überhaupt vor das Baukollegium muss, liegt an einem Streit mit dem Eigentümer des derzeit im Bau befindlichen Einkaufszentrums »East Side Mall«. Laut dem ursprünglichen, 2016 aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangenen, Entwurf sollte das zwischen Shoppingpalast und Warschauer Brücke eingeklemmte Hochhaus gegenüber dem U-Bahnhof eine größere Grundfläche haben. »Die Plattform an der Brücke sollte auch für die Abfangung des Bauwerks genutzt werden«, erklärt OVG-Geschäftsführer Martin Rodeck. »Doch der Nachbar fühlte eine eingeschränkte Sichtbarkeit für einen seiner Eingänge.« Dabei hatte die FREO-Group, die das Einkaufszentrum baut, der OVG das Grundstück erst im Juni 2016 verkauft. Die Architekten mussten noch einmal neu planen.

Im Großen und Ganzen zeigt sich das Baukollegium zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf. Aber: »Es ist nicht Shanghai, es ist nicht Singapur, es ist Berlin!«, sagt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (parteilos, für LINKE). Gerade der Foyerbereich des 400-Millionen-Euro-Projekts müsse »100 Prozent Friedrichshain« sein. »Etwas Wildes, Rohes, Unfertiges, das sich in Friedrichshain-Kreuzberg einfügt«, wünscht sich Architektin Verena Brehm vom Baukollegium. »Es könnte auch brutalistischer sein«, sagt ihr Gremiumskollege Andreas Garkisch, ein Architekt und Stadtplaner. Diese Architekturform, die eine Blüte in den 1970er Jahren hatte, setzt auf wuchtigen und skulpturalen Betoneinsatz, wie bei der Tschechischen Botschaft in Mitte oder dem Kreuzberger Urban-Krankenhaus. »Es gibt wunderschöne alte Fabrikgebäude, die sind nicht so transparent, aber einladend«, schlägt Lüscher vor.

Ganz wichtig sei laut Brehm auch die ortsbezogene Nutzung der Sockelgeschosse. »Soziales, Bildung, Kreative aus dem Kiez«, nennt sie einige Beispiele. »Starten Sie den Beteiligungsprozess mit den Anwohnern neu und beziehen sie in die Überarbeitung des Entwurfs die Ergebnisse ein«, fordert Baustadtrat Schmidt. Im Sommer solle die Beteiligung beginnen, verspricht die OVG.

»Der ganze Spreeraum und das Mediaspreeareal sind inzwischen ein Selbstläufer«, bedauert Johannes Riedner von der Initiative »Mediaspree versenken - Spreeufer für Alle«. »Wir erleben eine Bodenwertinflation.« Am 13. Juli jährt sich der bezirkliche Bürgerentscheid, bei dem sich die Abstimmenden gegen weitere Hochhäuser und für einen 50 Meter breiten, nicht bebauten, Uferstreifen aussprachen. Umgesetzt wurde davon kaum etwas. »Der Bezirk hat sich letztlich als Komplize verhalten, ob unwissentlich oder nicht«, beklagt Riedner. »Wir sehen schließlich, zu was diese Art investorenfreundlicher Politik des Senats im Wohnungsbereich mit den rasant steigenden Mieten geführt hat.«

Trotz des in der Bezirkspolitik nicht unbedingt geliebten Projekts hat die OVG einen straffen Zeitplan. Ende 2018 soll der Bauantrag eingereicht werden, Mitte 2019 soll Baustart sein, Ende 2021 soll der Turm stehen, sagt Geschäftsführer Rodeck. Mieter dafür gebe es noch keine, heißt es beidem Unternehmen. Auch mit Zalando sei man nicht im Gespräch.

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