- Kommentare
- Özil und Gündoğan
Dicker Fehler
Oliver Kern hadert mit der unnötig zurückkehrenden Treuedebatte
»Fußball ist unser Leben, nicht die Politik«, schrieb İlkay Gündoğan auch im Namen des Kollegen Mesut Özil entschuldigend. Beide hatten sich mit dem Staatspräsidenten der Türkei fotografieren lassen. Aus »Höflichkeit«, wie Gündoğan später betonte, nicht, um »Wahlkampf zu machen« für den immer diktatorischer regierenden Recep Tayyip Erdoğan. Trotzdem machte dessen Partei AKP mit den Bildern natürlich sofort Wahlkampf.
Damit hätten die beiden deutschen Fußballnationalspieler mit türkischen Wurzeln rechnen müssen. Ebenso mit den Reaktionen aus Deutschland. Wer sich lächelnd mit einem umstrittenen Präsidenten ablichten lässt, ihm dann auch noch ein Trikot samt Widmung »Mit großem Respekt für meinen Präsidenten« schenkt, der handelt politisch. Linke Abgeordnete warfen beiden ein »Foul« vor, weil sie einen Despoten unterstützten. Rechte forderten sie auf, künftig doch lieber für die Türkei zu spielen - auch wenn Özil seinen türkischen Pass längst abgegeben hat.
Das Image des nicht besonders intellektuellen Profifußballers hält sich ja hartnäckig, obwohl Spieler wie Mats Hummels, Per Mertesacker oder Thomas Hitzlsperger seit Jahren gleichermaßen hartnäckig dagegen ankämpfen. Aktionen (und Entschuldigungen) wie die von Gündoğan und Özil lassen aber leider nicht nur diese Bemühungen an die Wand fahren. Auch die herausragenden Integrationsleistungen für Menschen mit nichtdeutschen Vorfahren oder vor Kurzem nach Deutschland Geflüchtete in Fußballvereinen verblassen hinter der neu aufflammenden Debatte um eingeforderte Treue, die - egal für welches Land - unnötig und sinnlos ist. »Menschen machen Fehler«, sagte Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bunds. Das hier war ein dicker.
Zum Aktionspaket
Linken, unabhängigen Journalismus stärken!
Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.
Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.