Keine Handynummer für den Chef

Urteil: Beschäftigte müssen auf ihrem privaten Mobiltelefon nicht erreichbar sein

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat mit einem Urteil die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt und betont, welch herausragende Bedeutung Handynummern haben. Ein Beschäftigter sei nicht verpflichtet, seinem Arbeitgeber die Nummer seines privaten Mobiltelefons mitzuteilen, entschieden die obersten Arbeitsrichter des Freistaats am Mittwoch in Erfurt. Nur unter ganz besonderen Bedingungen und in engen Grenzen habe ein Unternehmer das Recht auf die private Handynummer eines Mitarbeiters. Das Landesarbeitsgericht bestätigte damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Gera von 2017 und machte deutlich, wie stark auch im Arbeitsrecht der Datenschutz gewichtet wird.

Konkret ging es um einen Streit aus dem ostthüringischen Landkreis Greiz. Eine Mitarbeiterin des dortigen Gesundheitsamtes hatte sich geweigert, der Landkreisverwaltung ihre private Handynummer mitzuteilen. Die hatte die Verwaltung haben wollen, um sie in Notfällen über die Rettungsleitstelle erreichen zu können. Weil die Mitarbeiterin sich mit Verweis auf ihre Privatsphäre weigerte, ihre Handynummer herauszugeben, hatte sie von ihrem Arbeitgeber eine Abmahnung erhalten, die sie nicht hinnehmen wollte. Sie zog dagegen vor Gericht - und war mit ihrer Haltung erfolgreich. Die Abmahnung muss nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes nun aus der Personalakte der Frau entfernt werden.

In einem fast identischen Fall eines anderen Mitarbeiters des Gesundheitsamtes des Landkreises Greiz entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht ebenso wie bei der Frau. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera war der Landkreis in Berufung gegangen.

In der Urteilsbegründung wählte der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts, Michael Holthaus, deutliche Worte: Wenn ein Arbeitgeber die Handynummer eines Beschäftigten habe, sei es für ihn möglich, den Mitarbeiter fast immer und überall zu erreichen. Der Beschäftigte könne dann nicht mehr wirklich zur Ruhe kommen, weil er damit rechnen müsse, von seinem Chef angerufen zu werden. Das sei ein ganz erheblicher Eingriff in die Rechte des Beschäftigten, den dieser nur unter ganz besonderen Umständen gegen seinen Willen hinnehmen müsse. Zum Beispiel dann, wenn sich die Arbeitspflichten des Mitarbeiters nicht anders sinnvoll organisieren ließen. Das sei in den vorliegenden Fällen aber nicht so gewesen. Es gebe andere Wege, die Notfall-Erreichbarkeit von Mitarbeitern des Gesundheitsamtes zu organisieren, als auf deren private Handynummern zuzugreifen.

Weil Menschen ihre Mobiltelefone heute immer bei sich trügen, sei eine Handynummer auch nicht vergleichbar mit einer Festnetznummer oder einer Wohnanschrift, sagte Holthaus. Er ging sogar so weit, davon zu sprechen, dass die Würde des Menschen gefährdet sei, sollte ein Arbeitgeber die Handynummer eines Beschäftigten gegen dessen Willen kennen und nutzen. Er reduziere den Beschäftigten dann »auf seine Funktion als Arbeitskraft«. »Und das ist im wahrsten Sinn des Wortes entwürdigend.«

Gegen beide Urteile hat das Landesarbeitsgericht keine Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen. Zwar habe die Frage des Umgangs mit Handynummern grundsätzliche Bedeutung, sagte Holthaus. Allerdings gebe es in beiden Fällen einige Besonderheiten, sodass es nicht geboten scheine, die Fälle den obersten Arbeitsrichtern vorzulegen.

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