Torra ernennt inhaftierte und Exil-Politiker zu Ministern

Spanische Zentralregierung spricht von einer »Provokation« durch den neuen katalanische Regionalpräsident

  • Lesedauer: 3 Min.

Barcelona. Der neue katalanische Regionalpräsident Quim Torra hat Madrid mit der Auswahl der Minister seiner künftigen Regierung herausgefordert. Torra unterzeichnete am Samstag in Barcelona ein Dekret zur Bildung der Regionalregierung, von deren Mitgliedern derzeit zwei in Haft sitzen und zwei im belgischen Exil leben. Die spanische Zentralregierung sprach von einer »neuen Provokation«. Die Zulässigkeit von Torras Personalentscheidungen werde nun geprüft.

Torra, der am Montag mit knapper Mehrheit zum neuen katalanischen Regionalpräsidenten gewählt und am Donnerstag vereidigt worden war, nominierte unter anderem Jordi Turull und Josep Rull als Kabinettsmitglieder. Beide sitzen in der Nähe von Madrid in Haft. Ihre Anwälte forderten die vorübergehende Freilassung ihrer Mandanten, damit sie am kommenden Mittwoch ihr Amt antreten könnten.

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Zwei andere Wunschkandidaten von Torra, Toni Comín und Lluis Puig, waren zusammen mit dem ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont nach Belgien geflohen und halten sich weiterhin dort auf.

Die Zentralregierung in Madrid kann die Regierungsbildung in Barcelona blockieren: Sie ist es, die die Kabinettsliste im Amtsblatt veröffentlicht, damit die Regionalregierung ihre Arbeit aufnehmen kann. Damit würde automatisch die Zwangsregierung durch Madrid aufgehoben.

In einer Erklärung hob die Zentralregierung hervor, dass mehrere von Torra ausgewählte Politiker auf der »Flucht vor der Justiz oder in Haft« seien. Die Regierung werde nun die Zulässigkeit von Torras Personalentscheidungen prüfen. Die Chefin der oppositionellen Partei Ciudadanos in Katalonien, Inés Arrimadas, forderte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy via Twitter auf, unter diesen Umständen Katalonien weiter unter die Kontrolle der Zentralregierung zu stellen.

Torra hatte vor und nach seiner Wahl betont, dass er Puigdemont als den wahren Chef der katalanischen Regierung ansehe und dieser das Amt so bald wie möglich zurückerhalten solle. Während der kurzen Zeremonie zu seiner Vereidigung schwor der 55-Jährige, den »Willen des katalanischen Volkes« umzusetzen.

Zur spanischen Verfassung und dem Autonomiestatut für Katalonien bekannte sich Torra hingegen nicht. Außerdem wurde bei der Vereidigungszeremonie nur eine katalanische Flagge gezeigt. Vorgeschrieben sind hingegen auch eine spanische Flagge sowie das Porträt von König Felipe VI.

Madrid hatte Ende Oktober die direkte Kontrolle über Katalonien übernommen und die von Puigdemont geführte Regionalregierung ihres Amtes enthoben, nachdem das Parlament in Barcelona KataloniensUnabhängigkeit erklärt hatte. Mit Torras Wahl zum Regionalpräsidenten ging in Katalonien ein halbes Jahr ohne eigene Regierung zu Ende.

Der Politneuling gilt als ebenso überzeugter Unabhängigkeitsbefürworter wie der in Berlin im Exil lebende Puigdemont. Vor seiner Vereidigung bot Torra dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy immerhin ein persönliches Treffen ohne Vorbedingungen an.

Zahlreiche Anführer der Unabhängigkeitsbewegung sitzen im Gefängnis oder befinden sich wie Puigdemont im Exil. Madrid wirft Puigdemont und anderen »Rebellion« im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Loslösung von Spanien vor. Die spanische Gesetzgebung sieht dafür bis zu 30 Jahre Haft vor. Die deutsche Justiz muss noch über eine mögliche Auslieferung Puigdemonts an Spanien entscheiden. AFP/nd

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