Thüringen: Fachkräftemangel sorgt für weniger befristete Jobs

2016 gab es in dem Bundesland 73.000 Menschen mit nicht dauerhaften Arbeitsverträgen

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Erfurt. Die Zahl der Arbeitnehmer in Thüringen mit befristeten Arbeitsverträgen sinkt. Vor zwei Jahren habe es noch etwa 73.000 befristet Beschäftigte gegeben, sagte ein Sprecher des Thüringer Arbeitsministeriums in Erfurt. Zehn Jahre zuvor hätten noch etwa 102.000 Thüringer nur zeitlich begrenzte Jobs gehabt. Ein Hauptgrund für den Rückgang der Zahl der befristetet Beschäftigten sei der Fachkräftemangel. »In Zeiten, in denen es immer schwerer wird, qualifizierte Fachkräfte zu finden, müssen sich die Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren«, sagte der Sprecher. »Dazu tragen befristete Arbeitsangebote in der Regel nicht bei.«

Auch ein Sprecher der Landesarbeitsagentur sagte, der Fachkräftemangel habe inzwischen konkrete Auswirkungen auf die Personalpolitik der Unternehmen. »Allgemein ist ein Festhalten der Fachkräfte durch die Arbeitgeber zu beobachten«, sagte er. »Vermehrt kommt es vor allem in Mangelberufen zu unbefristeten Einstellungen.«

Nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch gemessen an der Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten in den Jahren 2016 und 2006 ging der Anteil der Menschen mit befristeten Jobs im Freistaat in den vergangenen Jahren zurück. Im Jahr 2016 hatten den Angaben nach etwa 8,2 Prozent der damals etwa 890.000 abhängig Beschäftigten in Thüringen einen befristeten Arbeitsvertrag. Zehn Jahre zuvor waren es 12,1 Prozent der damals etwa 843 000 abhängig Beschäftigten gewesen.

Auch Zahlen, auf die der Verband der Wirtschaft Thüringens (vwt) verweist, legen nahe, dass in Thüringen immer weniger Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen klarkommen müssen. Mit Bezug auf das Betriebspanel 2016 des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Stephan Fauth, der Anteil von Menschen mit befristeten Jobs an allen Beschäftigten im Land habe vor zwei Jahren bei 7 Prozent gelegen. In den Jahren 2006 bis 2008 habe der jeweilige Vergleichswert 8 bis 9 Prozent betragen. Die Daten weichen deshalb im Detail von denen des Mikrozensus ab, weil sie unterschiedlich erhoben wurden.

Gleichzeitig verteidigte Fauth grundsätzlich die Praxis mancher Arbeitgeber, Menschen zumindest zunächst einen Arbeitsvertrag nur für eine bestimmte Zeit zu geben. »Wesentlich ist, dass die Menschen, die Arbeit suchen, auch Arbeit bekommen«, sagte er. »Hier ist die Befristung in vielen Fällen der Einstieg in ein neues Arbeitsverhältnis.« Die Politik sei daher gut beraten, Befristungen nicht noch weiter zu reglementieren und unattraktiv zu machen.

Der Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Bezirk Hessen-Thüringen, Alexandre da Silva, verwies dagegen vor allem darauf, welche Belastung befristete Jobs für die Menschen sind, die damit ihren Lebensunterhalt finanzieren müssen. »Befristet Beschäftigte leben permanent in Ungewissheit und fühlen sich zu Recht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zweiter Klasse«, sagte er. Ein Wohnungswechsel sei für sie beispielsweise schwierig bis unmöglich, weil Vermieter Nachweise über ein verlässliches Einkommen verlangten. An Immobilienkredite bräuchten sie gar nicht zu denken. Besonders junge Menschen wüssten oft über Jahre hinweg nicht, wo und wie sie zukünftig arbeiten werden.

Zu den Arbeitgebern, die viele Menschen in Thüringen des Fachkräftemangels zum Trotz noch immer häufig nur befristet einstellen, gehört nach übereinstimmenden Angaben des Arbeitsministeriums sowie des vwt ausgerechnet der Staat. Befristete Jobs kommen danach in den Bereichen Erziehung und Unterricht, öffentliche Verwaltung, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Land- und Forstwirtschaft häufiger als in anderen Branchen. Das zeigt andererseits auch, dass Jobs im öffentlichen Dienst in Thüringen noch immer ziemlich begehrt sind - auch wegen der dort relative hohen Löhne und Gehälter. dpa/nd

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