Einfache Botschaften

  • Heiko Werning
  • Lesedauer: 3 Min.

Neulich im Supermarkt: Zwei Kinder, vielleicht ein Jahr Altersunterschied, tapsen unbeholfen der Mama hinterher. Vorm Kühlregal kommt es zum Showdown. »Da!«, ruft eins der beiden Kinder. Die Mutter dreht sich zu ihnen um: »Na, was habt ihr denn da entdeckt?« Kind 1 wiederholt: »Da!« Kind 2 starrt in das Kühlregal, als wolle es die Milchprodukte durch Telekinese bewegen. Vielleicht ein Baby-Jedi. »Das ist Joghurt. Wollt ihr Joghurt?« Die Mutter greift ins Kühlregal. »Okay, aber wir nehmen einen anderen, der da ist nicht bio.«

Kind 1 schaut irritiert, freut sich aber sichtlich, als die Mutter einen grünweißen Joghurtbecher ergreift. Kind 2 streckt die Hände aus. »Also«, fährt die Mutter fort, »was haben wir denn da?« Sie studiert die Becher, die Kinder studieren sie. Freudige Erwartung in den Gesichtern. »Was magst du denn, Luisa? Mango-Vanille, Pfirsich-Marajuca, Papaya-Limette oder Orange-Acerola?«

Luisa, formerly known as »Kind 1«, überlegt kurz und sagt: »Da!«

»Ihr müsst euch schon entscheiden!«, fordert die Mutter. »Emil, was hältst du von Papaya-Limette?« Emils Jedi-Kräfte reichen noch nicht, den Joghurt aus der Hand der Mutter zu lösen. Stattdessen zieht sich der Joghurt aus seinem Luftraum zurück. »Oder doch lieber Orange-Acerola? Normal gibt’s auch noch Ananas-Melone«, erklärt die Mutter. »Aber der scheint grad aus zu sein. Luisa, willst du Papaya-Limette, wenn Emil den nicht will?«

»Papali?«, fragt Luisa. »Richtig, Luisa, oder Orange-Acerola. Willst du lieber Orange-Acerola?« »Asselol?«, fragt Luisa. Emil schluchzt. Die Mutter gibt sich verständnisvoll: »Ja, Emil, da kann ich doch auch nichts für, dass sie Ananas-Melone heute nicht haben.«

»Nasnasmeone?«, fragt Luisa. »Da!«

»Ihr müsst euch schon entscheiden!«, insistiert die Mutter. »›Da‹ ham sie hier nicht.«

Emil spürt die Stimmungsveränderung am Kühlregal, weint heftiger und setzt sich patzig auf den Boden.

»Da hilft auch kein Geschrei, Emil! Steh bitte wieder auf! Sie haben Ananas-Melone nun mal nicht. Luisa, willst du vielleicht einen Joghurt für deinen Bruder aussuchen? Es gibt Orange-Acerola, Mango-Pfirsich, Limette-, nee, Papaya-Limette, Mango- ach, Vanille, nicht Pfirsich, also Mango-Vanille, Pfirsich-Maracuja und Acerola-Dings ... Orange. Also, Luisa, was mag der Emil davon am liebsten?« Luisa schaut verwirrt. Dann sagt sie: »Da.«

»Wisst ihr was?«, sagt die Mutter da. »Ich hab keine Lust mehr! Wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, gibt’s eben keinen Joghurt!« Sie stellt die Becher entschlossen zurück, Emil jault auf, während er in den Kindersitz des Einkaufswagens verfrachtet wird. Luisa schreit fortwährend »Daaa!«, während die Mutter sie vom Kühlregal wegschleift.

An der Kasse, von zwei plärrenden Kindern umgeben, und mitleidig von anderen Einkaufenden beäugt, greift die Mutter entschlossen eine Bild-Zeitung aus dem Ständer und wirft sie aufs Band. Jemand muss belustigt geguckt haben. »Ja was?«, blafft die Mutter: »Ich hab zwei kleine Kinder, ich brauch’ jetzt einfache Botschaften!«

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