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300. Weg für den Frieden in der Heide

Bürgerinitiative kämpft seit 25 Jahren aktiv gegen Truppenübungsplatz

  • Annette Schneider-Solis, Zienau
  • Lesedauer: 3 Min.

Helmut Adolf hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert. Auf vielen Bildern von den Friedenswegen ist er zu sehen: Mit Rucksack, Fotoapparat und Wanderschuhen. Beim ersten Friedensweg am 1. August 1993 war Helmut Adolf 35, und wie seine Mitstreiter voller Hoffnung, die geplante Übernahme des Truppenübungsplatzes in der Colbitz-Letzlinger Heide durch die Bundeswehr aufhalten zu können.

»Das schien damals möglich«, erinnert er sich. Die Bundesregierung wollte das seit 1934 militärisch genutzte Areal nach Abzug der russischen Armee 1994 der Bundeswehr überlassen. In den umliegenden Gemeinden befürworteten die meisten Menschen und politisch Verantwortlichen die friedliche Nutzung der Heide.

Zwei Wochen harrten die Befürworter einer militärfreien Heide in einem Protestcamp aus, organisierten Demos. Am 1. August 1993 lud die neu gegründete Bürgerinitiative Offene Heide zum ersten Friedensweg ein: von der Barriere Zienau zwischen Letzlingen und Gardelegen marschierten Friedensaktivisten erstmals in das Militärgelände. Auch Helmut Adolf war dabei. So wie bei jedem Friedensweg - mit einer einzigen Ausnahme. »Wir waren verreist«, sagt er schmunzelnd. Obwohl er vor vielen Jahren schon von Haldensleben nach Berlin gezogen ist, sind die Friedenswege fest eingeplant.

Dabei hat sich die Lage geändert. Die Front der Militärgegner bröckelte. Gemeinden hofften auf wirtschaftliche Impulse. 1997 wurde ein Heidekompromiss geschlossen, der das Militär im Norden und eine friedliche Nutzung im Süden vorsah. Jahre später dehnte die Bundeswehr ihre Präsenz auch auf den südlichen Teil aus, mit »Schnöggersburg« entsteht eine millionenschwere Übungsstadt.

»Protest ist wichtiger denn je«, findet Adolf. »Wir leben in einer Zeit zunehmender Spannungen, die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, es wird weiter aufgerüstet.« Dass vor dem Jubiläumsfriedensweg US-Truppen auf dem Weg zu einem Manöver Sachsen-Anhalt passierten, beunruhigt ihn. »Man fühlt sich machtlos, aber es zeigt die Notwendigkeit, für den Frieden auf die Straße zu gehen.« Adolf und seine Mitstreiter tun dies und sind dabei auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Das Betreten des militärischen Geländes ist eine Ordnungswidrigkeit. »Wir wollen damit darauf aufmerksam machen, dass es Unrecht ist, Kriege vorzubereiten«, sagt Adolf. »Es gibt ein Völkerrecht, das die Vorbereitung von Kriegen verbietet. Aber genau das wird hier getan. Dagegen protestieren wir.«

In den 25 Jahren gab es viele Unterstützer: der evangelische Bischof Axel Noack war dabei, der Rektor der Humboldt-Universität Heinrich Finck, Friedrich Schorlemmer, Hans Jochen Tschiche von den Bündnisgrünen oder Tobias Pflüger von der LINKEN, zählt Adolf spontan auf. Künstler wie die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano traten auf.

Für ihre Beharrlichkeit wurde die Bürgerinitiative 2016 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Doch im Laufe der Zeit wurden die Gegner der Armee in der Heide weniger. Zu Anlässen wie den Ostermärschen bekamen die Friedensmarschierer wieder mehr Zulauf. Einige Aktivisten sind nicht mehr am Leben, andere haben sich mit dem Militär arrangiert, andere resigniert. Nicht so Helmut Adolf. »Man darf niemals aufgeben. Wer hätte denn 1988 gedacht, dass ein Jahr später die Wende kommen würde?« So wird er weitermarschieren, an jedem ersten Sonntag im Monat. dpa/nd

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