nd-aktuell.de / 06.06.2018 / Politik / Seite 6

US-Botschafter gibt Ratschläge an Rechtspopulisten

Richard Grenells Interview mit dem Nachrichtenportal »Breitbart« sorgt für Unmut

Fabian Lambeck

Selbst der sonst so zurückhaltende Martin Schulz (SPD) zeigte sich erbost. »Was dieser Mann macht, ist einmalig in der internationalen Diplomatie«, schimpfte der gescheiterte Kanzlerkandidat am Mittwoch in Berlin über den neuen US-Botschafter Richard Grenell. Statt neutral dem Gastland gegenüber zu sein, agiere dieser wie der Vertreter einer politischen Bewegung. Zuvor hatte Grenell in einem Interview mit dem rechten Nachrichtenportal »Breitbart« zur Stärkung konservativer und rechtspopulistischer Kräfte in Europa aufgerufen. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten habe »Menschen gestärkt darin zu sagen, dass die politische Klasse nicht bereits vor Wahlen festlegen soll, wer gewinnen und wer kandidieren wird«. Der Botschafter sprach von einer »kleinen elitären Gruppe« aus Journalisten und Politikern, die offenbar die Massen manipulierten. Zudem gab er seinen konservativen Freunden in Europa eine »winning strategy« mit auf den Weg. Die Rechten sollten »den Fokus auf konservative Themen legen, die das Leben der einfachen, arbeitenden Bevölkerung verbessern«. Konkret empfahl Grenell eine »konsistent konservative Migrationspolitik, Steuersenkungen und ein Zurückdrängen von Vorschriften und Bürokratie«. Grenell, der lange als Sprecher des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen tätig war, bezeichnete Österreichs rechtspopulistischen Kanzler Sebastian Kurz als »Freund« und »Rockstar« und erklärte, am 13. Juni ein Essen für den rechten Jungspund geben zu wollen. Ausgerechnet bei dessen Visite in Berlin.

So verlogen es auch wirkt, wenn der im rechts-republikanischen US-Establishment bestens vernetzte Grenell gegen »die Eliten« hetzt, so ist seine Art der direkten Einmischung in die inneren Angelegenheiten der EU-Staaten schon ziemlich dreist. Wo US-Botschafter früher hinter den Kulissen diskrete Absprachen trafen und deutliche Worte für Renegaten fanden, wird nun ganz offen agiert. Das entspricht dem Vorgehen von Präsident Trump, der auf diplomatische Rücksichtnahmen pfeift. Wo man früher noch Menschenrechtsrhetorik und Verweise auf demokratische Grundwerte bemühte, wird jetzt Klartext gesprochen. Der US-Imperialismus ist unhöflich geworden.

Außenminister Heiko Maas (SPD), der gegenüber Russland sonst deutliche Worte findet, war am Dienstag um Zurückhaltung bemüht. »Ich habe diese Äußerungen natürlich zur Kenntnis genommen und auch die Kritik, die es dazu gegeben hat«, sagte Maas am Dienstag nach einem Treffen mit Ungarns Außenminister. »Es wird sicherlich einiges zu besprechen geben und deshalb ist es gut, dass der Botschafter morgen zu Gast ist bei Herrn Staatssekretär (Andreas) Michaelis.«

Tatsächlich wird der seit einem Monat amtierende Botschafter am Mittwoch zu seinem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt erwartet. Grenell hatte zuvor bereits für Verstimmungen gesorgt, als er per Twitter deutsche Firmen aufforderte, ihre Geschäfte in Iran sofort zurückzufahren, nachdem Trump den Atomvertrag mit dem Mullah-Regime einseitig aufgekündigt hatte.

Selbst bei der Union geht man nun vorsichtig auf Distanz zum großen Bruder. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt betonte am Dienstag, dass Trump es darauf anlege, die EU zu schwächen. Dieses Ziel verfolge auch Grenell mit den Äußerungen, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dem Sender HR-Info. Er wolle die Kräfte stärken, »die den europäischen Einigungsprozess stoppen oder gar zurückdrehen wollen«.

Deutliche Worte fand hingegen die Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Sahra Wagenknecht. »Wer wie US-Botschafter Richard Grenell meint, nach Gutsherrenart bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschland bleiben«, sagte sie am Dienstag der »Welt«.

Grenells Äußerungen stoßen auch in den USA auf Kritik. »Wenn Botschafter Grenell nicht bereit ist, auf politische Erklärungen zu verzichten, sollte er unverzüglich abberufen werden«, twitterte die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen.

Ein österreichischer Regierungssprecher versuchte, die Aufregung um das Grenells Treffen mit Kurz während dessen Besuchs in Berlin zu dämpfen. »Es gilt insbesondere in Zeiten wie diesen mit den engsten Vertrauten des US-Präsidenten Kontakt zu halten, vor allem zu Fragen wie der Handelspolitik und der transatlantischen Beziehungen.« Kurz treffe auch weitere Persönlichkeiten, etwa Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Mit Agenturen