Die den Wind drehen will

In einer Naturkulisse präsentiert Oberbürgermeisterkandidatin Martina Trauth ihre Ziele

Die Spitze der Freundschaftsinsel, das ist einer der vielen idyllischen grünen Fleckchen der Stadt Potsdam. Nebenan liegt eine Seniorenresidenz, am Ufer gegenüber liegen Sportboote vertäut und aus dem Meer der Bäume dahinter erhebt sich ein großer Wohnblock. Das alles passt symbolisch so schön zu den Absichten, die Martina Trauth für Potsdam hegt. Bei der Oberbürgermeisterwahl am 23. September tritt die parteilose Gleichstellungsbeauftragte für die LINKE an.

Besonders wichtig sind ihr der soziale Frieden, den sie gefährdet sieht, und das menschliche Miteinander. Sie verspricht, »eine Oberbürgermeisterin mit Herz und Verstand zu sein«. Wo könnte man besser darüber erzählen, als auf einem Eiland, das Freundschaftsinsel heißt? Allerdings gibt es auf der Aussichtsplattform an der Spitze der Insel auch einige hinderliche Begleitumstände. Der Wind rauscht laut in den Blättern der Bäume und alle Nase lang brummt ein Motorschiff vorbei. Was Martina Trauth selbst sagt, ist dank Mikrofon und Lautsprecheranlage deutlich zu vernehmen. Aber wenn sie eine Frage gestellt bekommt, muss sie manchmal bitten, diese Frage zu wiederholen, weil die Worte nicht genau zu verstehen waren. Am Ende fegt der Wind auch noch die Sonnenbrille der Kandidatin vom Pult. »Scheiße, meine Brille«, ruft sie leise aus. Ausgerechnet das ist zu hören.

Ein Termin mit Hindernissen. Aber was soll's? Der Wahlkampf wird auch kein Kinderspiel. Zwar schaffte es Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bei den zurückliegenden zwei Oberbürgermeisterwahlen immer in die Stichwahl, die er dann jeweils gegen Jann Jakobs (SPD) verlor. Doch die Einwohnerzahl der brandenburgischen Landeshauptstadt ist stark gewachsen und die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung hat sich erheblich verändert. Trauth steht also vor einer großen Herausforderung, zumal sie nicht so bekannt ist wie Scharfenberg. Bei drei Stadtteil- und fünf Themenkonferenzen hat sie genau zugehört, sich Notizen gemacht, ihre eigenen Vorstellungen eingebracht. So sind sie entstanden, die »sechs Ziele für ein besseres Potsdam« unter dem Motto »Trauth euch«.

»Der Wille der Bürger ist für mich kein Störfaktor, sondern Ausgangspunkt politischen Handelns«, versichert die 53-Jährige auf der Freundschaftsinsel. Aus ihrer Sicht haben die Probleme in den letzten Jahren zugenommen: soziale Spaltung, fehlender Wohnraum, steigende Mieten, Verkehrskollaps, Umweltbelastung, fehlende Kitaplätze und ein Stadtumbau mit der Brechstange. Die Stadtverwaltung habe engagiert daran gearbeitet, Lösungen für die drängendsten Probleme zu entwickeln. »Die Konzepte sind da, nur mangelt es am politischen Willen«, kritisiert Trauth. SPD und CDU fehle es an innovativen Ideen und Mut zur Gestaltung.

Als Rathauschefin würde sie dafür sorgen wollen, dass die Stadt Einfluss auf die Mietpreisentwicklung zurückgewinnt. Sie würde die Veräußerung von städtischem Grund und Boden stoppen und zusätzliche Flächen ankaufen. Ihr Ziel dabei: »Erhalt und Erweiterung sozialen Wohnraums mit fester Quote in Höhe von 30 Prozent.« Der Wohnungsbau soll aber keinesfalls dazu führen, dass Biotope, Parks, Grünflächen oder Kleingärten geopfert werden. Sie ist gegen profitorientiertes, ungesteuertes Wachstum, denn Potsdam soll schön bleiben für Kinder, Enkel und kommende Generationen. Aber während viele Wohnungen heute luxussaniert werden, lebt jedes fünfte Kind in Potsdam in Armut. Nicht zuletzt deshalb sollen nach den Vorstellungen von Trauth alle in der Schule kostenlos gesundes Frühstück und Mittagessen bekommen. Für die Senioren denkt Trauth an Wohngemeinschaften, aber auch an Wege, über die sie mit dem Rollator fahren können.

Als die LINKE schon zusammengepackt hat und Trauth zum nächsten Termin geeilt ist, kommt ein Rentnerpaar angeschlendert. Beide sind sie 80 Jahre und sagen, in ihrem Alter müssten sie sowieso alles nehmen, wie es komme. Der Name Martina Trauth sagt ihnen nichts, aber den SPD-Kandidaten Mike Schubert kennen sie. Aber das will nichts heißen. Zur Wahl wollen sie wahrscheinlich sowieso nicht gehen. »Es nützt ja doch nichts«, winken sie ab.

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