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Klima der Angst

Protest bei Daimler gegen Zeitarbeitsfirma Dekra

Die Zeitarbeitsfirma Dekra Arbeit bescheinigt sich selbst einen fairen, partnerschaftlichen und respektvollen Umgang mit Mitarbeitern. Doch was Beschäftigte in Rastatt schildern, die im dortigen Mercedes-Benz-Werk eingesetzt sind, entspricht ganz und gar nicht dem Bild, das die Firma von sich zeichnet. Die IG Metall erhebt schwere Vorwürfe und forderte am Mittwoch vor den Werkstoren »mehr Respekt für Dekra-Beschäftigte«.

Im Daimler-Werk Rastatt sind derzeit nach Angaben der Gewerkschaft rund 8000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 1200 Leiharbeiter. In den vergangenen Monaten hat die örtliche IG Metall mit mehr als 120 von ihnen gesprochen, um Problemen nachzugehen, die ihr Anfang des Jahres im Zuge der Metalltarifrunde zu Ohren gekommen sind. Heiko Maßfeller, 2. Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle in Gaggenau, seit 30 Jahren gewerkschaftlich aktiv, klingt ehrlich entrüstet, wenn er die Vorkommnisse schildert, die sie von den Dekra-Beschäftigten erfahren haben. So seien Entgeltabrechnungen und Arbeitszeitkonten vollständig intransparent, dabei hätten viele den Eindruck, dass Arbeitsstunden und Urlaubstage »verschwinden«. Bei Krankheit würden die Beschäftigten schikaniert. »Da bekommen sie nach vier Tagen einen Anruf vom Medizinischen Dienst, oder die Firma meldet sich und verlangt die Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht.« Doch wer sich beschwere, bekomme eine Abmahnung. Unter den Beschäftigten herrsche ein »Klima der Angst«, sagt Maßfeller, deshalb traue sich auch niemand, die Vorwürfe »mit Name und Gesicht« zu erheben, aus Angst, dann seinen Job los zu sein. Einige wandten sich inzwischen an eine Regionalzeitung, ebenfalls anonym.

Die Dekra Arbeit beschäftigt derzeit rund 10.000 Leiharbeiter in Deutschland. Ob einige außerhalb der Region Rastatt ähnliche Erfahrungen machen, ist derzeit nicht bekannt. Das Unternehmen weist sämtliche Vorwürfe auf nd-Nachfrage als »haltlos« zurück und erklärt, »zur Versachlichung« beitragen zu wollen. Man habe deshalb in der vergangenen Woche der IG Metall ein Gesprächsangebot unterbreitet.

Laut Maßfeller hat es bereits mehrere Gespräche der Gewerkschaft mit der Dekra gegeben. »Sie hatten Monate Zeit, um zu reagieren«, sagt er. Doch bis heute seien die geforderten Verbesserungen nicht umgesetzt worden. Deshalb zieht die Gewerkschaft nun andere Saiten auf. Wie ernst sie die Vorwürfe nimmt, beweist auch, dass sich am Mittwoch 50 Hauptamtliche der IG Metall aus ganz Baden-Württemberg mit Flugblättern und Transparenten vor das Werk in Rastatt stellten und die Daimler-Beschäftigten auf die Situation ihrer Leiharbeitskollegen aufmerksam machten.

Gegenüber der Werksleitung hat die Gewerkschaft die Missstände bereits früher angezeigt. Eine Untersuchung sei veranlasst worden, weiß Maßfeller. Für seinen Geschmack dürfte es damit aber ruhig etwas schneller gehen. Der Autohersteller könnte die prekäre Lage der Leiharbeiter ohnehin ganz einfach lösen. »Weitere Übernahmen in Festanstellung« - diese Forderung auf dem Flugblatt der Gewerkschaft geht an dessen Adresse.

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