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  • Sizilien und die Unterwasserarchäologie

Das Museum auf dem Meeresgrund

Amulette, Amphoren, Ankerstöcke: Eine Ausstellung im Landesmuseum Bonn gibt Einblicke in die Unterwasserarchäologie

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 5 Min.

Mögen die Stürme noch so heftig toben und die Wellen sich mächtig auftürmen: Seit frühesten Zeiten hat der Mensch es immer wieder vermocht, die Meere zu bezwingen. Das Wasser trennte nicht, sondern verband. Eines dieser Gewässer nannten die Juden Großes Meer und die Römer Unser Meer (Mare Nostrum), die Araber und Türken wiederum Weißes Meer. Wir kennen es als Mittelländisches oder Mittelmeer. Händler und Soldaten, Gelehrte und Geistliche segelten dort, transportierten Waren und Informationen. Es barg jedoch auch mannigfaltige Gefahren, heimtückische Klippen, gefährliche Strömungen. Von solchen Gefahren weiß der berühmteste antike Seefahrer ein Lied zu singen, ein Epos gar: Odysseus.

Als gefährlichste Durchfahrt galt schon in der Antike die Straße von Messina, die Meerenge zwischen Kalabrien und Sizilien. Die größte Insel des Mittelmeeres, reich an Rohstoffen, gesegnet mit mildem Klima und fruchtbaren Böden, quasi in der Mitte zwischen Europa und Afrika, Levante und Atlantik gelegen, zog seit Jahrtausenden Kaufleute und Eroberer an. Phönizier und Griechen, Karthager und Römer, Goten, Vandalen und Byzantiner, Araber und Normannen, Deutsche und Spanier kämpften um die Insel. Ihre Spuren sind dort heute noch zu finden - auch vor der Küste, im Wasser. Darüber weiß das Landesmuseum Bonn in Zusammenarbeit mit der Soprintendenza del Mare in Palermo Wissenswertes zu berichten.

Über 1500 antike Wracks sind bislang rund um Sizilien gesichtet worden. Seit dem 19. Jahrhundert stießen Fischer und Schwammtaucher immer wieder zufällig auf die Ladung versunkener Schiffe. Erst mit der Entwicklung eines autonomen Pressluftgerätes (»Aqualunge«) 1943 erwuchs aus spontaner Schatzbergung eine neue Disziplin der Archäologie. Siziliens Küste wurde zu einem lohnenden Arbeitsplatz der Unterwasserarchäologen.

Die reizvolle Bonner Schau zeigt Amulette, die Seeleute und Mitreisende vor den Gefahren der Schifffahrt schützen sollten. »Schiffsaugen« (ophthalmoi), diskusförmige Steinscheiben, an die Bugwand genagelt oder aufgemalt, sollten den Kurs im Auge behalten. Für Gebete und Opfer gab es gar kleine Altäre an Bord. In einem Wrack vor Panarea, eine der Liparischen Inseln an der Nordostspitze Siziliens, wurde ein Terrakotta-Altar mit Brandspuren gefunden - und das auf einem Holzschiff. Auf dem Achterdeck eines Wracks vor Spargi fand man eine ionische Säule, die einst einen schweren Altarstein aus Carrara-Marmor trug.

Es fällt auf, dass kaum Wracks von Kriegsschiffen entdeckt werden. Sei es, dass Seeschlachten in tieferen Gewässern stattfanden oder Kriegsschiffe, leichter als die schwer beladenen Frachtschiffe, nicht so rasch sanken. Am 10. März 241 v. Chr. waren die Ägadischen Inseln Schauplatz der Entscheidungsschlacht im 1. Punischen Krieg zwischen den Flotten Karthagos und Roms. 1969 fand man im Hafen von Marsala ein 35 Meter langes punisches Kriegsschiff. Beeindruckend sind drei in Bonn zu sehende bronzene Rammsporne (rostra).

Die rege Handelsschifffahrt vor Sizilien belegen Amphoren, in denen Wein, Öl, Fleisch und Fisch, Früchte und Honig transportiert wurden. Die Verschlussstöpsel tragen Siegel, die über Lieferanten oder Zwischenhändler Auskunft geben. Die Henkel der Gefäße tragen Stempel, die den Hersteller oder Herstellungsort benennen. Auf manchen Amphoren sind die Namen und Amtsjahre von Konsuln verzeichnet, womit eine exaktere Datierung möglich wurde. Eine Amphore in der Ausstellung enthält Garum, eine Würzsoße aus Fisch, unentbehrlich in der römischen Küche. Von den Holzschiffen selbst ist verständlicherweise wenig erhalten, allenfalls bleierne Ankerstöcke, 600 bis 700 Kilogramm schwer, oder auch Bleirohre zum Ablassen von in den Schiffsrumpf eindringendem Wasser sowie Bleiplatten, die einst dem Schutz vor hungrigen Holzwürmern dienten.

Reichlich ist die Ausbeute an Bronze- und Marmorstatuen im Meer, darunter ein Zeus vom Kap Artemision und zwei Krieger von Riace. Mit dem Aufstieg Roms zum Zentrum eines mächtigen Imperiums begann ein systematischer Kunstraub: Die Römer plünderten Tempel, Plätze, öffentliche Gebäude und Privathäuser in den von ihnen eroberten Gebieten. Die geraubten Statuen, Gemälde und Möbel fanden sich dann in den Villen des römischen Adels wieder, so sie nicht in den Fluten des Mittelmeeres verschwanden. 1907 entdeckten Schwammtaucher vor der osttunesischen Küste bei Mahdia 67 Marmorsäulen und zahlreiche Skulpturen aus Bronze, darunter einen geflügelten Eros, tanzende Zwerge sowie Büsten von Aphrodite und Satyrn, zudem bronzene Prunkgefäße und Luxusmöbel. Attische Inschriften verweisen auf Athen als Herkunftsort der Ladung. Auf der Reise nach Ostia, dem Hafen Roms, ist das schwer beladene Kunsttransportschiff um 80 v. Chr durch ungünstige Winde vom Kurs abgekommen und gesunken.

1959 erregte ein weiteres Kunst transportierendes Gefährt Aufsehen. An der Südostspitze Siziliens lag in nur sechs Metern Tiefe ein Wrack, das Säulen und Kapitelle, Pfeiler und Reliefplatten aus Marmor und grünlichem Porphyr barg. Sie stammten aus einer byzantinischen Basilika in Konstantinopel. Kaiser Justinian hatte zur Förderung des Christentums ganze Kircheneinrichtungen zu neuen Gemeinden im Westen bringen lassen.

Die Ausstellung skizziert auch die arabische Eroberung Siziliens ab 827 und die normannische Vorherrschaft ab 1091 und gibt Auskunft über Schiffbau und Technik, über Seekriege und Eroberungen, friedlichen Handel und internationale Beziehungen. Die Bonner Exposition bestätigt die Feststellung des französischen Archäologen Salomon Reinach (1858 -1932), das reichste Antikenmuseum der Welt läge auf dem Boden des Mittelmeers.

»Im Meer versunken. Sizilien und die Unterwasserarchäologie«, LVR-Landesmuseum Bonn, bis 24. Juni, Di bis Fr sowie So und feiertags 11 bis 18 Uhr, Sa 13 bis 18 Uhr; Begleitband 3 €.

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