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  • Sparpolitik in Griechenland

Kapitalspritze gegen neue Kürzungen

Griechenlands Regierung fährt mit Omnibusgesetz weiter auf Brüsseler Sparkurs

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 3 Min.

Ist ein Ende in Sicht? Ende Juni begutachten die Finanzminister der Eurozone, ob Griechenland das achtjährige Kreditprogramm im August beenden kann. Danach hofft Athen sich wieder vollständig über den Markt finanzieren und somit wieder auf eigenen Füßen stehen zu können. Die Zustimmung zur geplant letzten Tranche gab das Direktorium des Eurorettungsfonds (ESM) am Donnerstag.

Ein positives Votum gab an diesem Tag nicht nur der ESM ab, sondern am Donnerstagnachmittag auch das griechische Parlament: Mit 154 von 298 Stimmen wurde das Omnibusgesetz verabschiedet, das 1326 Seiten und 400 Artikel umfasst. In der Gesetzesnovelle sind die letzten Maßnahmen enthalten, die im Zuge des Kreditprogramms umgesetzt werden sollen. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici twitterte hoffnungsvoll, nun sei »ein weiterer Schritt zur Vollendung des griechischen Programms« gegangen.

Teil des umfangreichen Gesetzes sind Privatisierungen, Regelungen für notleidende Kredite, weitere Rentenkürzungen und die Erhöhung der Immobiliensteuer. Auch die Streikrechtsveränderung wird darin endgültig festgeklopft. Künftig wird zudem ein elektronisches System zur Versteigerung von Immobilien eingeführt werden. Seit Herbst war das gescheitert, unter anderem weil sich Notare weigerten, sich an den Zwangsversteigerungen zu beteiligen. Rigoros soll gegen Steuerdelikte vorgegangen werden, dazu soll eine besondere Behörde installiert werden: Bußgelder werden erhöht, bei Steuerhinterziehung soll direkt die Steuernummer, also die Möglichkeit Handel zu treiben, entzogen werden. Zudem soll der Bezug von Kindergeld weiter erschwert werden. Bis dato erhalten Familien erst ab dem dritten Kind eine Förderung.

Wenn Athen seinen Teil der Bedingungen erfüllt, dann auf dem Rücken der Bürger*innen. So sehen es die Gewerkschaftler, die am Donnerstag in langen Protestmärschen die Maßnahmen, die sich »gegen die Bevölkerung richten« verhindern wollten. Aufgerufen dazu hatten unter anderem die kommunistische Gewerkschaft PAME und die des öffentlichen Dienstes. Gleichzeitig wurde der öffentliche Verkehr Athens bestreikt, auch die Taxifahrer ließen ihre Wagen stehen.

Im Fokus der Demonstranten stand das neue Versicherungsgesetz, durch das fast alle Renten um bis zu 35 Prozent gekürzt und Rentenbeiträge erhöht wurden. Eine angemessene Bezahlung forderten die Gewerkschaftler, wie beispielsweise einen Tarifvertrag mit Mindestlohn von 751 Euro. Der Schutz des ersten Wohnsitzes vor Versteigerung sollte gewährleistet werden. Mit dem Omnibusgesetz sei das staatliche Eigentum nun vollends den Kreditgebern übergeben worden, erklären die Gewerkschaftler.

Doch die groß angelegten Reformen und damit verbundene Diskussion um die Belastungen für die Bevölkerung sind nach der Abstimmung für die nächsten Tage erst einmal vom Tisch. Denn neben der parlamentarischen Einigung über die nächsten Schritte im Schuldenprogramm sorgte in dieser Woche die »historische« und »tragfähige Lösung«, wie sie Ministerpräsident Alexis Tsipras nannte, im Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien für Aufmerksamkeit. Die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens soll künftig »Nord-Mazedonien« heißen.

Direkt nach der Abstimmung über die Gesetzesnovelle stellte der Chef der konservativen Opposition Nea Dimokratia (ND), Kyriakos Mitsotakis deshalb einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. Er kritisiert die Verwendung des Begriffs »mazedonisch« für die Nationalität und Sprache des Nachbarlandes. Die Parlamentsdebatten darüber sollen bis Samstag 14 Uhr fortgesetzt werden, wie Parlamentspräsident Nikos Voutsis nach einer Beschwerde von ND entschied. ND hatte darauf spekuliert, dass bis in den Abend hinein debattiert werde, so dass Tsipras den Druck der Massendemonstrationen zu spüren bekomme, die für Samstag auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament angekündigt sind.

Die Demonstranten gegen die Sparpolitik haben indes schon den Stab an eine breite Masse von nationalistischen Kräften weitergegeben. Auf dem Syntagma versammelten sich bereits am Freitag Gegner der Pläne der Regierung zur Beilegung des Namensstreites. Ob die Tsipras-Regierung wegen der »nordmazedonischen Einigung« ernsthaft gefährdet ist, ist ungewiss. Im Misstrauensvotum müssen 151 von 300 »Ja« stimmen, um die Regierung zu stürzen. Doch auch die an der Regierung beteiligte rechte ANEL wird entgegen ihrer Grundsätze griechischen Medienberichten zufolge auf Syrizas Seite bleiben. Die Abstimmung ist für Sonntagvormittag anberaumt.

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