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Rätsel um Pine-Island-Gletscher gelöst

Wissenschaftler fanden heraus, dass die Eismassen an wichtigen Punkten die Bodenhaftung verloren haben

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Pine-Island-Gletscher ist 250 Kilometer lang und rund zwei Kilometer dick. Damit ist er einer der gewaltigsten Gletscher der Erde. Der in der Westantarktis gelegene Gigant gehört mit einer Fließgeschwindigkeit von vier Kilometern pro Jahr zu den am schnellsten fließenden Eisströmen auf der Südhalbkugel. Gemeinsam mit seinen benachbarten Gletschern transportiert der Eisstrom jährlich mehr als 300 Gigatonnen Landeis in die Amundsensee. Eine gigantische Menge, die fünf bis zehn Prozent des weltweiten Meeresspiegelanstiegs ausmacht. Forscher haben nun Rätsel um den Gletscher gelöst.

Warum das Gletschereis so schnell abfließt, das hatten Forscher bereits herausgefunden. Verantwortlich sind warme Wassermassen, die aus dem Zirkumpolarstrom abzweigen. Sie gelangen unter den schwimmenden Teil des Gletschers und schmelzen das Schelfeis von unten. Die Eiszunge verliert so seit 25 Jahren bis zu 5,3 Meter Eisdicke pro Jahr. Doch trotz der dramatischen Schmelze hatte sich die Abbruchkante des Pine-Island-Gletschers bisher kaum zurückgezogen. Erst 2015 brach ein massiver Eisberg ab und die Schelfeiskante verlagerte sich um 20 Kilometer in Richtung Küste. Die schwimmende Eiszunge schrumpfte damals auf eine Fläche von rund 470 Quadratkilometern.

Drei Billionen Tonnen Eis geschmolzen

Die Antarktis galt bisher als die letzte unberührte Wildnis der Erde. Doch Negativ-Nachrichten häufen sich. Vergangene Woche meldete eine Greenpeace-Expedition, dass Forscher selbst am entlegensten Ort der Erde noch Spuren von Mikroplastik und gefährlichen Chemikalien in Schnee- und Eisproben entdeckt hatten. Jetzt stellte ein internationales Forscherteam eine Studie vor, die zeigte, dass die Antarktis in den vergangenen Jahrzehnten gigantische Mengen an Eis verloren hat: Drei Billionen Tonnen zwischen den Jahren 1992 und 2017. Sieben Schelfeise sind in den vergangenen 20 Jahren allein an der Antarktischen Halbinsel auseinandergebrochen oder stark zurückgegangen. Zuletzt brach ein riesiger Eisberg vom Larsen-C-Schelfeis ab.

Forscher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) wollten den Grund für dieses Verhalten des Gletschers herausfinden. Dafür kartierten sie den Meeresboden vor dem Gletscher. Ein Zeitraffervideo gab Aufschluss, warum der Gletscher sich urplötzlich in Richtung Küste zurückgezogen hat. Des Rätsels Lösung ist, dass die Eismassen an wichtigen Punkten die Bodenhaftung verloren haben, wie die Forscher berichten.

»Die Fließrichtung und die Fließgeschwindigkeit eines Gletschers hängen stark von der Topographie seines Untergrundes ab«, sagt Geophysiker Jan Erik Arndt. Im Fall des Pine-Island-Gletschers dienten bisher wohl Unterseeberge als Eisbremse. »Ab dem Jahr 2006 sind diese markanten Punkte jedoch nicht mehr zu sehen«, sagt Forscher Karsten Gohl. »Das Schelfeis muss bis zu diesem Zeitpunkt so weit von unten abgeschmolzen sein, dass es entweder zu leicht war, um noch einen Abdruck an der Eisoberfläche zu produzieren, oder die Eisfläche hatte bereits den Kontakt zu den darunterliegenden Bergen verloren.« Wenn ein Schelfeis den Kontakt zu einem solchen Hindernis verliere, reagiere der Eisstrom, als hätte jemand den Bremsklotz weggezogen.

Die Berge können auch den Abbruch eines Eisberges auslösen - etwa wenn die Schelfeiskante vorrückt und mit voller Wucht auf eine Erhebung aufläuft. Dazu kam es wahrscheinlich 2007 und 2015, als ganze Eisberge abbrachen. Derzeit hat das Schelfeis aber neuen Halt gefunden, so die Wissenschaftler. »Derzeit verläuft die rund 50 Kilometer lange Schelfeiskante des Pine-Island-Gletschers zwischen einer Insel im Norden und einem weiteren Gletscher im Süden, die dem Eis wieder etwas Halt geben«, so Arndt. Wenn die Eisschmelze an der Schelfeisunterseite jedoch weiter voranschreiten sollte, könne der Prozess irgendwann dazu führen, dass das dann wesentlich dünnere Schelfeis an sich instabil werde. Der Punkt sei bei einer Eisdicke von 400 Metern an der Schelfeiskante noch nicht erreicht.

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