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Kreative in Raumnot

Dresdens freie Kunstszene fühlt sich bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung vernachlässigt

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kündigung ist da - es gibt nur noch eine Gnadenfrist, bis die Mischpulte ausgeräumt sein müssen. »Bald müssen wir raus sein aus der Kö 25«, sagt Ronald Kämmerer vom Dresdner Musikerkollektiv »Think Tank Music«. In einem früheren Bürogebäude im Stadtzentrum produzieren sie Musik und Radiosendungen, bilden DJs aus. Nun will ein Investor den Bau abreißen und Wohnungen errichten. Die Musiker, sagt Kämmerer, stehen vor der Wahl, sich wieder in der Stadt »zu zerstreuen« - oder neue bezahlbare Räume zu finden.

Das aber ist mittlerweile in Sachsens Landeshauptstadt eine fast unlösbare Aufgabe. Dresden boomt, Wohnungen sind knapp - mit der Folge, dass auch die letzten bisher vernachlässigten Industriebrachen verkauft und mit Wohnungen bebaut werden. Viele der alten Hallen und Bürotrakte aber waren bisher Refugien der freien Kunstszene. »Wir alle haben das Problem der Raumfrage«, sagt Felix Rüdiger vom Verein »Konglomerat«. Der betreibt zwar das »Rosenwerk«, in dem auf 500 Quadratmetern Menschen in zwölf Gewerken aktiv sind. Doch weil der Bürobau aus allen Nähten platzt, überlegt man jetzt, Container aufzustellen.

Die Raumnot der Kreativen müsste von der Stadtpolitik als Problem erkannt und angegangen werden, meint die Szene - gerade in einer Zeit, in der sich Dresden um den Titel als Kulturhauptstadt Europas 2025 bewirbt. In offiziellen Dokumenten finden sich auch viele nette Begriffe: Die Zeit der Bewerbung solle als »kulturgetriebener Stadtentwicklungsprozess« verstanden werden, auch von »echter Partizipation« ist die Rede. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Grundstücke und Häuser werden meistbietend verkauft, Freiräume verschwinden.

Ein markantes Beispiel ist die frühere Arbeitsanstalt, für die 20 Jahre lang keine Nutzung gefunden wurde. Der Verein Elixir e.V. entwickelte die Idee, dort ein »Zentrum für Kunst, Kultur und sozialen Austausch« zwischen Dresdnern und Geflüchteten zu schaffen. Der Stadtrat gab Ende 2016 einem Investor den Vorzug - der anderthalb Jahre später noch keine Aktivität gezeigt hat. »Ein Symbol für verfehlte Stadtentwicklung« nennt das Carsten Ungewitter vom Elixir e.V., die auch anderswo für die zunehmende »Primarkisierung und Starbuckisierung« der Stadt sorge.

Ein Zusammenschluss von Initiativen will dem nun entgegen treten - durch die Ausrufung von »Zukunftsschutzgebieten«. Dabei soll es sich gewissermaßen um Biotope für nicht kommerzielle, am Gemeinwohl orientierte Projekte handeln. Zum Auftakt der Kampagne wurde ein leerstehendes Industriegebäude gegenüber vom »Rosenwerk« mit dem markanten gelben Logo versehen, das sich gleichermaßen als Maurerkelle oder als auf dem Kopf stehendes Limonadenglas mit Strohhalm deuten lässt. In einem Aufruf heißt es, man vertraue nicht mehr auf »Scheinpartizipation und die Simulation von öffentlichem Raum«. Ziel sei die Entwicklung einer »Stadt von unten«.

Im Bewerbungsbüro für den Titel als Kulturhauptstadt ist man über die Aktivitäten nicht verstimmt, sondern sieht sie als Teil eines Prozesses, der »Dinge in der Stadt langfristig verändern will«, sagt Valentina Marcenaro: »Es geht nicht um einen Titel für ein Jahr.« Zudem erklärt Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (LINKE), man engagiere sich bereits gegen die Raumnot der Kreativen. Sie verweist auf städtische Förderung für das »Zentralwerk« in Pieschen, eine Art Vorzeige-Genossenschaft, sowie den Kauf der Villa Wigman, die Probenort für die freie Tanzszene ist. Seit Kurzem hilft eine von der Stadt geförderte »Kreativraumagentur« bei der Suche nach Räumen. Klepsch räumt aber ein, dass es an solchen »in einigen Stadtteilen mangelt«. Anfang Juni befasste sich ein Workshop im Rahmen der Hauptstadtbewerbung mit dem Thema. Ergebnisse sollen am 30. Juni vorgestellt werden.

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