nd-aktuell.de / 23.06.2018 / Ratgeber / Seite 29

Für Mal-Muffel und Zocker

Handliche Spiele, die im Urlaubskoffer nicht viel Platz benötigen

Udo Bartsch

Es können nicht immer die voluminöse Schachtel, der riesengroße Panoramaspielplan und fünf Hände voll hochwertiges Holzmaterial sein. Schon gar nicht, wenn es auf Reisen geht, der Koffer schon fast voll ist oder das Spiel ohnehin in den Picknickkorb passen soll. Macht aber nichts, denn kleine, kompakte Spiele müssen den großen in Pfiffigkeit, Originalität und Spielspaß nicht nachstehen. Hier stellen wir deshalb zu Beginn der Urlaubs- und Feriensaison die unserer Meinung nach interessantesten Neuheiten vor.

Das Würfelspiel »Kniffel« ist ein Klassiker - aber längst nicht mehr das Maß aller Dinge. In modernen Würfelspielen schaut man den Mitspielern nicht mehr bloß zu, sondern profitiert ebenfalls von ihren Würfelaugen. In »Ganz schön clever« nutzt der Spieler am Zug von sechs farbigen Zahlenwürfeln drei, um Kreuze auf seinem Wertungsblatt einzutragen. Die übrigen Würfel gehen an die Gegner. Das Dilemma besteht darin, welche Werte man selber nutzt und welche man verschenkt. Hinzu kommt das ausgeklügelte Wertungssystem: Jede Farbe folgt anderen Regeln. Die Kreuze in der besten Reihenfolge zu setzen, ist wie ein Spiel im Spiel. Weil es nie ganz perfekt läuft, will man es immer wieder von vorn probieren.

»Würfelkönig« dreht sich ganz klassisch um das Sammeln von Kombinationen. Dreimal wird gewürfelt und herausgelegt, am Ende zählen neben den Zahlen auch die erwürfelten Farben. Als Regenten wollen die Spieler schräge Bewohner in ihr märchenhaftes Königreich locken. Der grimmige Zwerg verlangt stolze fünf Sechsen, der Gnom gibt sich schon mit vier roten Würfeln zufrieden - zählt aber wesentlich weniger Punkte. Welche Bewerber zur Verfügung stehen, wechselt ständig. Neben Glück geht es vor allem darum, Chancen und Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen und clever zu zocken.

Trotz farbenfroher Würfel ist »Dackel drauf!« kein Würfelspiel im üblichen Sinn. Die 15 Würfel, deren Seiten verschiedene Tierköpfe zeigen, bleiben weitestgehend verdeckt. Entscheidend ist ein gutes Gedächtnis. Ein Spieler schüttelt die komplette Schachtel samt enthaltener Würfel, der Deckel wird je nach Lust und Laune kurz oder auch länger gelüftet. In dieser Zeit versuchen alle, sich möglichst viele der erwürfelten Tiere einzuprägen. Anschließend legen die Spieler reihum Tierkarten aller Sorten aus, die sie in dem XXL-Würfelbehältnis gesehen haben wollen. Bei einem Treffer darf man die Karte abgeben. Wer sich aber verzockt und nur eine Karte zu viel legt, muss alles wieder zurücknehmen.

Vögel picken Würmer, Katzen mögen Vögel, Hunde beißen Katzen und der Floh den Hund: »All you can eat« handelt vom Fressen und Gefressenwerden. Die Spieler besitzen identische Kartensätze mit hungrigen Tieren. Jede Runde wählt jeder gleichzeitig eine. Große Überraschung dann beim Aufdecken. Natürlich will man Beute machen, aber nicht immer ist Beute da: Vier Vögel - kein Wurm. Niemand frisst, alles bleibt liegen. Und nächste Runde freut sich die Katze auf ein riesiges Vögelbuffet? Nicht unbedingt. Vielleicht spielt jemand einen Hund, der sich die gespielten Katzen schnappt. Kommt aber ein Floh dazu, kassiert der den Hund. Was also spielen? Jede Karte bringt Spannung.

Fast schon unheimlich ist »The Mind« - wenn sich die Spieler auf diese ungewöhnliche Spielidee einlassen. Die Aufgabe klingt erst mal einfach. Die Spieler müssen kooperativ Zahlenkarten in der richtigen Reihenfolge ablegen. Fast unmöglich erscheint es aber, wenn man die Begleitumstände erfährt: Die Spieler dürfen nicht reden und keine Zeichen geben. Ob man mit Legen dran ist, muss jeder aufgrund seines Zeitgefühls selber erspüren. Hohe Zahlen bewahrt man natürlich länger auf als niedrige. Doch gehört auf die 45 schon die 61 oder hat noch jemand einen Wert dazwischen? Langsam, aber immer besser pendelt sich die Gruppe aufeinander ein. Das Unglaubliche kann tatsächlich funktionieren.

In »Decrypto« ver- und entschlüsseln zwei Teams über mehrere Runden immer wieder dieselben Begriffe. Zur Umschreibung von »Löwe« eignen sich Wörter wie »Mähne«, »Savanne« oder »König«. Doch führen sie das Gegnerteam zu schnell auf die richtige Fährte. Raffinierter ist es deshalb, auch mal um die Ecke zu denken und Hinweise wie »Senf«, »Braunschweig« oder »Jungfrau« zu geben. Nur darf man tunlichst nicht das eigene Team verwirren. Kann es der Idee mit dem Sternzeichen nicht folgen und verliert selber den Faden, geht die Runde dieses raffinierten, aber nicht ganz unkomplizierten Sprachspiels an die Konkurrenz.

»A Fake Artist Goes To New York« ist das perfekte Mal-Spiel für alle, die nicht malen können und es eigentlich auch gar nicht wollen. Dass Kunst angeblich von Können kommt, ist hier vollkommen egal. Alle Spieler erhalten denselben Malauftrag, beispielsweise einen Uhu. Ein Spieler allerdings bleibt ahnungslos. Zweimal reihum malen alle Spieler mit jeweils einem Strich oder einen Kringel am gemeinsamen Bild weiter. Die Gruppe muss währenddessen herausfinden, welcher Mitstreiter offenbar nicht weiß, was gemalt werden soll. Doch selbst im Falle der Enttarnung kann der noch gewinnen - indem er rät, was das Bild darstellen soll. In diesem Widerstreit entstehen brachial schauderhafte Werke, deren Witz sich niemand entziehen kann. Im Grunde gewinnen hier alle.

Das kleine »POK« ist vor allem Zockerei und zwar mit minimalem Aufwand: drei Würfel sowie hölzerne Quadrate, Dreiecke und Kreise. Jeder Spieler besitzt sechs dieser Formen. Wer zuerst fünf davon los ist, gewinnt. Die Würfel bestimmen, welche Figuren in der laufenden Runde abgegeben werden dürfen, zum Beispiel drei Quadrate und ein Kreis. Jeder Spieler wählt, zunächst geheim. Kommen tatsächlich exakt drei Quadrate oder exakt ein Kreis zum Vorschein, dürfen alle Beteiligten ihr Holz abgeben. Wird keine der Aufgaben korrekt erfüllt, geht die Runde an die hinterlistigen Saboteure, die es nicht mal probiert und ein Dreieck gewählt haben.