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Krieg schafft neue Handelswege

Immer mehr Waren aus den und in die arabischen Staaten werden über Israels Häfen abgewickelt

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Außerhalb der Kleinstadt Beit Sche’an im Norden Israels staut sich die halbe Welt, so scheint es: Lastwagen mit bulgarischen, griechischen, italienischen, aber vor allem türkischen Nummernschildern stehen hier, während die Fahrer darauf warten, dass es weitergeht. Wohin? »Nach Jordanien natürlich«, sagt einer der Fahrer, ein Rumäne, mit einem betont vielsagenden Lächeln, denn jeder hier weiß, das stimmt nicht wirklich. »Unser Chef sagt immer, dass man über bestimmte Dinge nicht spricht, wenn das Geschäft weiterlaufen soll.«

Ein Großteil der Güter, die hier an einem der beiden Grenzübergänge zwischen Israel und Jordanien, auf die Abfertigung warten, wird im Nachbarland ausgeladen, umgeladen, mit neuen Papieren versehen, und dann weiter nach Saudi-Arabien, in den Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait transportiert. Von dort kommen die Lkw voll beladen zurück, mit Sachen, die man in Europa verkaufen kann, werden wieder umgeladen und mit neuen Papieren versehen.

Seit einigen Jahren wickeln die arabischen Staaten nun schon einen immer größer werdenden Anteil an ihren Im- und Exporten über den israelischen Hafen Haifa ab, wo alle paar Tage Lkw-Fähren und Frachter in Richtung Türkei und Europa an- und ablegen: Im Jahr 2017 zählte das israelische Handelsministerium gut 100 000 Lastwagen mit Waren im Gesamtwert von 300 Millionen US-Dollar, bei denen Ziel oder Ursprung wahrscheinlich nicht Jordanien war; im laufenden Jahr habe man diese Zahl jetzt schon erreicht. Feststellen könne man das an den in den Ladescheinen genannten Unternehmen: Jordanische Scheintöchter von Unternehmen in der arabischen Welt, die die Waren offiziell erwerben und dann weiterverkaufen.

Dass Israel nun immer schneller zum Tor zur arabischen Welt wird, liegt am Krieg in Syrien: Er hat die früher genutzten Handelsrouten über syrische und libanesische Häfen oder die Grenzübergänge zur Türkei unterbrochen. Und die Alternative, die Waren durch den Suez-Kanal per Schiff in saudische Häfen am Roten Meer zu liefern, ist lang und teuer, weil die ägyptische Regierung üppige Preise für die Suez-Passage aufruft.

Die Regierungen der arabischen Staaten geben sich betont gleichgültig. »Es werden keine Waren aus Israel, sondern aus Jordanien geliefert«, betont ein Sprecher des saudischen Kronprinzen und de-facto-Herrschers Mohammad bin Salman. »Es ist nicht die Aufgabe unserer Grenzbeamten, den Weg jeder Lieferung zu prüfen.« Ein Sprecher des irakischen Wirtschaftsministeriums sagt: »Das Einzige was zählt, ist, dass die Lieferungen ordentlich verzollt werden.«

Zwar haben sich fast alle Staaten der arabischen Welt in den vergangenen Jahren zunehmend Israel angenähert; hinter verschlossenen Türen gibt es Kontakte, Gespräche über diplomatische Beziehungen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Israel sogar als einziges Land eine ständige diplomatische Vertretung bei der UNO-Agentur für erneuerbare Energien (IRENA). In Israel sind nur noch Syrien und Libanon als feindliche Staaten eingestuft.

Bislang hatten die Staaten auf der arabischen Halbinsel diplomatische Beziehungen von einer Lösung der Palästina-Frage abhängig gemacht. Doch Anfang Mai änderte Kronprinz Mohammad auch diese Sprachregelung. Diplomatische Beziehungen werde es geben, wenn sich beide Seiten »zu ernsthaften Verhandlungen« bereitfinden. Kurz darauf schloss sich dem auch das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate an.

Gleichzeitig sind Vertreter Israels, Jordaniens und Saudi-Arabiens im Hinterzimmer dabei, derzeit kaum vorstellbare Pläne zu entwickeln: Eine Bahnlinie von Haifa auf die arabische Halbinsel und in Irak soll gebaut werden; Israel und Saudi-Arabien haben für »internationale Bahnverbindungen« umgerechnet mehrere Millionen Euro in ihren Staatshaushalten vorgesehen. Die Bahnlinie nach Jordanien soll bald gebaut werden. Schließlich können die Straßen die vielen Lkw kaum noch aufnehmen.

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